Ein Buch ist erfolgreich, weil es sich verkaufen lässt. Okay. Warum lässt sich dieses verkaufen und ein anderes nicht?
Ein Buch ist gut, weil es spannend ist. Okay. Warum ist der Thriller von Tom Clancy spannend und ein anderes Buch nicht, oder nicht so sehr, oder nicht für so viele Leute?
Das bewegt die Diskussion auf die Ebene der Analyse, von der ich sprach (und die wahrscheinlich auch Gegenstand der Ausgangsfrage war):
Was finden "die Leute" denn nun gut?
Daß man das rauskriegen kann, zumindest bis zu einem gewissen Grad, habe ich ja bereits als möglich behauptet.
Und wenn man den Leuten das, was sie gut finden, gibt, dann läßt es sich eben gut verkaufen. (LÄSST!)
"Spannung" ist bereits eine tiefere Schicht von "Gut" bzw. "Gut verkäuflich". Eine tiefere Schicht von Spannung wiederum wäre "Schilderung einer dramatischen Situation, deren Ausgang nicht feststeht."
Je tiefer die Schicht, desto konkreter und faßbarer werden die Aussagen, und desto mehr werden sie rezeptartig. Leider werden sie zugleich auch zunehmend unsicher und von Irrtümern und Fehlern durchsetzt.
Das ist wie mit der künstlichen Intelligenz. Wenn ich verstünde, wie ein Gehirn funktioniert, könnte ich eine intelligente Maschine erschaffen. Noch sind wir davon enorm weit entfernt. Trotzdem gibt es inzwischen gute Ansätze. Teilerfolge.
Wenn ich so eine einfache Sache wie Spannung umfassend verstünde, könnte ich nach Kochrezept spannende Bücher schreiben.
Zitat
Das nächste Buch von Wolfgang Hohlbein, Michael Crichton und Martin Walser wird sich sehr gut verkaufen. Warum? Klar, diese Autoren sind als Marke eingeführt, sie haben ihren Leserstamm. Weswegen haben sie einen so großen Leserstamm und andere Autoren haben ihn nicht? Was geben ihre Bücher den Lesern, was sie in anderen nicht oder nicht so gut finden?
Meine These: Diese Autoren haben ihr Rezept bereits gefunden. Man kann es auch Schema nennen. Ihre Bücher ähneln einander. Was für mich ein Hinweis ist, daß es wirklich nur ein Rezept/Schema ist und nicht wirkliches Verstehen der Mechanismen. Was keine Wertung sein soll, ich merke nur gerade, daß es sich so anhört. Wohl dem, der so ein Rezept hat.
Zitat
Goethes "Faust", Manns "Buddenbrocks" und Hemingways "Der alte Mann und das Meer" werden seit Generationen von vielen Lesern geschätzt, andere Werke sind in der Vergessenheit verschwunden, manche, obwohl sie in ihrer Zeit Bestseller waren. Warum?
"Dracula" von Bram Stoker ist der Roman, der den Weltrekord hält, am längsten kontinuierlich als Neubuch erhältlich zu sein. Warum "Dracula"? Warum nicht "Frankenstein"? Warum nicht ein völlig anderes Buch? Was zeichnet "Dracula" aus - für eine breite Leserschaft?
Gibt es wirklich kein qualitatives Merkmal, das im Text liegt? Ist alles nur Zufall?
Ich befürworte weiterhin die Halb-und-Halb-Theorie. Diese Texte sind Bestseller/Longseller wie wir es auch immer nennen wollen, weil sie dem Leser geben, was der Leser gut findet. Es ist aber auch viel Zufall dabei. Historischer Zufall. Dracula beispielsweise war einer der ersten Romane dieser Art, es war der Begründer des Vampirromans. Er hat eine überragende Bedeutung und einen unvorstellbaren Bekanntheitsgrad, und von der Position wird er so schnell nicht wieder herunterkommen. Jedoch: Ein sprachlich und dramaturgisch ähnlich gearteter Roman würde, wenn er heute erschiene, nicht einmal verlegt werden, geschweige denn verkauft. Darauf gebe ich Brief und Siegel. Dracula verkauft sich schon seit Jahrzehnten nicht mehr, weil es ein guter Roman ist. Es verkauft sich, weil es eben Dracula ist.
Peter