Beiträge von Ralf28

    Hallo


    Ich habe als Kind die Märchen von Grimm und Andersen gelesen und muss im Nachhinein sagen, dass mich die Märchen von Andersen viel trauriger gemacht haben, gerade weil sie oft keinen glücklichen Ausgang haben. Ich erinnere mich, dass ich bei der Lektüre von "das kleine Mädchen mit den Schwefelhölzern" bitterlich geweint habe, gerade weil es so traurig endet.


    Kinder wollen wenigstens die Bestätigung, dass die Welt im Inneren heil ist oder zumindest heil gemacht werden kann. Die unbewusste Identifikation mit den Märchenfiguren fordert das geradezu.


    Ausserdem haben auch Kinder Gewaltphantasien, die auf diese Weise beim Vorlesen ihren Schrecken verlieren.


    Viel schlimmer trifft sie eine gewisse Ausweglosigkeit, wie sie öfters bei Andersen auftaucht.


    In den 70er Jahren gab es ein bekanntes Buch von dem berühmten Kinderpsychologen Bettelheim. "Kinder brauchen Märchen" hiess es, glaube ich. Darin setzt er sich auch sehr kompetent mit dem Gewaltvorwurf auseinander.


    Ralf

    Den unbekannten Erzähler hat Joyce dem Thersites nachgebildet. Er ist einer der unangenehmen Figuren in der Ilias, ein Stänkerer und Prolet, der permanent gegen die militärischen Führer hetzt. Odysseus verprügelt ihn dann auch in einer Episode.


    In diesem Kapitel wird der Bewusstseinsstrom durch eine subjektive Erzählung unterbrochen, wie später in der Circe-Episode das Theater an die Stelle des Bewusstseinsstromes tritt.


    Das Kapitel hat, gerade auch durch die Perspektive des Erzählers, etwas latent Gewalttätiges, Bedrohliches. Gewalt lauert unter der Oberfläche, und die Typen in der Kneipe sind alle ordinär und dumm.


    Ralf

    Hallo


    Ich finde, dass ihr den "Ulysses" zu schnell lest. Ich komme kaum mit dem Lesen hinterher, obwohl ich ihn schon mehrmals gelesen habe. Manchmal muss man auch zurückblättern, die Kapitel auf sich wirken lassen, einfach mal innehalten, um den Inhalt zu verdauen. Das Buch ist schwerste Kost, und ich schlinge ein 5-Gang-Menue ja auch nicht in einer Stunde hinunter.


    Bei der ersten Lektüre habe ich 8 Monate gebraucht, um das Buch durchzulesen, und wir sind jetzt gerade mal ein paar Wochen zugange.


    Ralf

    Dieser Pessimismus, es gibt nichts Neues unter der Sonne, ist eigentlich nicht äyptisch, sondern stammt aus dem biblischen Buch "Kohelet".


    Und natürlich gibt es da auch Parallelen zur Bibel: Moses im Binsenkörbchen, wie in der Genesis beschrieben wird.


    Waltari hat da ein paar orientalische Traditionen zusammengemischt, aber sehr oft auf die Bibel zurückgegriffen.


    Ralf

    Joyce parodiert in diesem Kapitel die sentimentalen viktorianischen Liebesromane, daher auch der schwülstige Stil.


    Gerty ist natürlich Nausikaa, die Königstochter, die mit ihren Freundinnen am Meer Wäsche waschen geht, und dabei den Helden im Gestrüpp aufstöbert. Er tritt nackt Nausikaa gegenüber. sie nimmt ihn mit nach Hause und kleidet ihn ein. Dabei verliebt sie sich etwas in Odysseus, der nach einigen Tagen die Heimreise antritt.


    Gerty fühlt sich im Gegensatz zu ihren Freundinnen von dem geheimnisvollen Herrn angezogen, genau wie Nausikaa. Ihre Liebessehnsucht und seine sexuelle Sehnsucht gehen eine kurze Verbindung miteinander ein.


    Dieser Augenkontakt wird mit geheimen Sehnsüchten aufgeladen und auf den anderen projiziert. Bloom als betrogener Ehemann wird durch das Interesse des jungen Mädchens erregt, und Gerty als schwärmender Teenager projiziert in Bloom den künftigen Ehemann.


    Sie gewährt ihm Einblick auf ihre Schenkel und Bloom onaniert heimlich. Das Feuerwerk symbolisiert dann den Orgasmus Blooms.


    Und ähnlich wie Odysseus und Nausikaa nicht zusammenkommen, so trennen sich Gerty und Bloom.


    Ralf

    Hallo


    Die Zyklopen waren ein wildes Volk, das Fremde, die sich zu ihnen verirrten, gerne verspeisten. Odysseus passiert das, ein paar seiner Gefährten werden von Polyphem zum Abendbrot gegessen, die anderen gefangengehalten. Odysseus gelingt durch eine List mit seinen Gefährten die Flucht, er blendet Polyphem, und dieser wirft ihm, als sie mit dem Schiff flüchten, Felsbroken hinterher.


    Joyce parodiert diese Geschichte mit dem Wurf der Keksdose. Wie Odysseus gerät Bloom an einen gewalttätigen, irischen Bürger, offenbart sich und flüchtet.


    Die literarische Gestaltung ist der Gigantismus, daher auch die pathetische Wortwahl und der übersteigerte Stil.


    Ralf

    sorry du hast keine Argumente gebracht.


    Ich habe oben versucht, eine Typologie der "Männerliteratur" zu erstellen und etwas den Hintergrund ausgeleuchtet.


    Du sagst einfach "falsches Etikett" und das war es. Eine inhaltliche Auseinandersetzung kann ich nicht erkennen.Etwas dürftig für die Argumentation.


    Ralf

    na ja die Antwort ist ein bischen zu einfach


    Nicht immer spiegelt das, was draufsteht, auch den Inhalt korrekt wieder.


    Mir ging es vor allem auch um die Tabuisierungen, die in der Trivialliteratur aufgrund der PC auftreten


    Ralf

    Um die Thesen auf den Punkt zu bringen:


    Männerliteratur thematisiert stark, wenn auch nicht nur, den verdrängten männlichen Schatten (Jung).


    Daher auch das Augenzwinkern dabei.


    Das gleiche gilt natürlich auch für die Frauenliteratur.


    Und ich behaupte mal, dass die MEHRHEIT des anderen Geschlechts kein Interesse an dieser Literatur hat. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel.


    Ralf

    Hallo


    Sagen wir es einmal so:


    Es gibt die offiziellen Darstellungen von Männern und Frauen, wie sie nach den Regeln der "political correctness" zu sein haben. Da spielen auch die sogenannten Gender Studies eine Rolle.


    Dann gibt es natürlich auch Frauen, die sich sehr stark an einer Männerrolle orientieren: Prototyp wäre zum Beispiel der Archetyp der Amazone.


    Umgekehrt gibt es natürlich auch Männer, die sehr stark weiblich denken und fühlen: Typ "Softie"


    Dann gibt es die Selbstbilder von Männer und Frauen, stark durch Medien und Peergroups beeinflusst, also was die meisten Leute denken, wie sie sein sollten und deshalb auch so sind.


    Dann gibt es natürlich das, was C.G. Jung den "Schatten" genannt hat, das heisst Seiten des Charakters, die unangenehm sind, die man verdrängt und nicht wahrhaben will. Dazu gehören auch Anteile am anderen Geschlecht, Jung nennt das "Anima" und "Animus". Und natürlich hat auch jedes Geschlecht seinen Schatten, das heisst negative Eigenschaften, die aber geleugnet werden und meist auch verdrängt werden.


    Da wir in einem feministischen Zeitalter leben, der öffentliche Diskurs also sehr stark durch bestimmte Inhalte dessen, was Frauen und Männer zu sein haben, bestimmt ist, bedeutet das auch, dass bestimmte Aspekte des männlichen und weiblichen Verhaltens tanuisiert werden.


    Und da setzt die sogenannte Männerliteratur ein.


    Die "Flashman"-Reihe ist prototypisch dafür. Ich habe sie oben schon erwähnt.


    Der Held ist nach weiblichen Normen ein absolutes Arschloch.


    Aber ich kenne keinen Mann, der unter vier Augen nicht zugibt, dass er manchmal auch gerne so sein würde, vorausgesetzt natürlich, er hat diese Romane gelesen.


    Ich kenne keine Frau, die diesen Romanen etwas abgewinnen kann.


    Aber es sind natürlich tolle Romane.


    Nun ja, das als Denkanstoß


    Ralf

    Hallo


    Bloom ist ja eigentlich ein sehr einfühlsamer Mensch. Das merkt man, wenn man seine Betrachtungen über andere Menschen liest, die ihm begegnen. Den Tod seines Sohnes hat er wirklich noch nicht überwunden, im Gegensatz zu seiner Frau, die emotional darüber hinweg ist. Sie tröstet sich halt mit ihrem gewaltigen sexuellen Appetit.


    Auch sein späteres Bemühen um Stephen kommt ja auch aus der gleichen Wurzel.


    Ralf

    Hallo


    Bloom gerät ja auch nur in die Bar, weil er seinem Nebenbuhler Boylan folgt, der, bevor der Molly Bloom eine "Gesangsstunde" gibt, sich in der Bar noch stärkt. Sein Bewusstseinsstrom, der normalerweise bedächtig um einen Gegenstand oder eine Person kreist, fängt plötzlich an zu mäandern, abzureissen und hin und herzuspringen.


    Simon Dedalus setzt sich an das Klavier und singt eine Arie aus "Martha" von Friedrich von Flotow, in der ein Witwer über die Liebe zu seiner Frau singt. Das ist natürlich eine Anspielung auf Bloom und seine Frau Molly.


    Die Sirenen waren in der Odyssee zauberhafte Geschöpfe, deren Gesang so betörend war, dass die Schiffer, ähnlich wie bei der Lorelay, die Felsenriffe vergaßen und dann untergingen. Odysseus entgeht diesem Schicksal, indem er seinen Gefährten Wachs in die Ohren stopft und sich selbst am Mast festbinden lässt.


    Daher auch die Wirkung des Gesanges auf die Anwesenden, ähnlich wie in der Odyssee.


    Ralf

    Ja auf Opern wird oft angespielt.


    So kommt Mozarts "Don Giovanni" vor, Bellini, Händel auch, glaube ich, und andere Opernkomponisten.
    ´
    Die ABACADA Form einer Opernarie kann man auch manchmal erkennen.


    Wenn man das englische Original laut liest, kommt auch ein musikalischer Effekt der Sprache zum Tragen.


    Verschiedene Geräusche werden imitiert.


    Auch für dieses Kapitel gilt:


    Joyce geht es nicht um eine Kohärenz, sondern um ein Spiel mit Worten und Sprache, und dieses Spiel verweist nicht immer auf anderes, sondern ist Selbstzweck, Spiel um des Spieles willen, Klang für den Klang.


    Ralf

    Hallo


    Joyce versucht in diesem Kapitel, musikalische Formen auf die Sprache zu übertragen.


    So ist die erste Seite einer Ouvertüre einer Oper nachgebildet. Verschiedene Themen werden kurz angerissen und nacheinander vorgestellt. Daher auch das "Schwierige" dieser ersten Seiten.


    Später kommt noch eine Fuge, ein Kanon. eine Arie dazu.


    Joyce selbst war ein grosser Kenner des Operngesanges, Molly Bloom ist ja auch Sängerin und ihr Auftritt wird in dem Kapitel besprochen.


    Ralf

    Hallo


    Das Kapitel ist übervoll von Skakespeare-Anspielungen und Zitaten, wie ja Shakespeare neben Homer der meistzitierte und nachgebildete Dichter im "Ulysses" ist.


    Ebenso sind Zitate von Platon, Cervantes, Goethe, Boccaccio und vielen anderen eingestreut. Ostasiatische Weisheit, Buddhismus kommen ebenso vor. Das Kapitel ist wohl das "literarischste" im "Ulysses", und seine Technik ist Rede und Gegenrede, ähnlich wie in den platonischen Dialogen. Daher auch das dialektische der Sprache.


    Ralf