Hallo Sandhofer
Ich habe mir deine Thesen noch einmal durch den Kopf gehen lassen. Ich halte sie immer noch für falsch, aber ich vermute, dass ich von einem anderen Ansatz ausgehe.
Ich bin kein professioneller Literaturwissenschaftler, habe eigentlich Philosophie, Soziologie und Psychologie studiert und dann noch Klavier, studiere seit Jahrzehnten Zen (praktisch) und habe da auch einige sehr interessante Erfahrungen gemacht. Das zu meinem Hintergrund.
Wic ich oben schon sagte, lese ich Literatur als ein geliebtes Hobby seit meiner Kindheit und habe auch schon sehr viel gelesen. Da ich kein Fernsehen schaue, habe ich dafür auch genügend Zeit.
Ich lese Literatur vor allem im Hinblick auf die Gefühle und Empfindungen. die diese bei mir auslöst.
Aber:
Ich vergleiche natürlich auch diese Gedanken, Gefühle und Empfindungen mit meinen Erfahrungen, meinem theoretischen Wissen und, ganz wichtig, mit meinen Erkenntnissen in ZEN.
Es geht mir da etwas wie in der Musik. Ein Klavieropus muss mich ansprechen, muss zu mir passen, sonst lege ich es weg.
So gibt es Beethovensonaten, die ich zwar durchgespielt habe, die ich aber nie aufführen würde, da sie mich völlig kaltlassen.
So ähnlich ist das bei Dostojewskij. Ich versuche, das Verhalten des Fürsten Myschkin nicht immanent zu verstehen, sondern vergleiche es mit meinen Erfahrungen in Psychologie, meinen Erkenntnissen in Philosophie und vor allem meinen unbewussten Empfindungen. Und da habe ich eine relativ klare Vorstellung von "Schuld". Und die habe ich auf das Verhalten von Myschkin angewandt. Von daher mein Urteil.
Ich halte deine Thesen nicht deshalb für falsch, weil sie werksimmanent auf Myschkin nicht zuträfen, sondern ich halte sie von ihrem Inhalt her für falsch.
Aber das müsste man an anderer Stelle diskutieren, ein Literaturforum ist dafür nicht der geeignete Ort.
Vor vielen Jahren habe ich mein Studium mit einer fetten Schwarte über Freud und Jung beendet. Da wurde auch die Schuldfrage angesprochen. Aber seit dieser Zeit habe ich viel dazugelernt und würde meine Thesen heute nicht mehr aufrechterhalten.
Mit freundlichen Grüssen
Ralf