okay, ich versuche das mal...(vorweg aber: völlig subjektive meinung. ich will niemandem reinreden, der sagt, "ich finde das buch eklig und basta".)
ich finde, daß ellis in american psycho (genauso wie in seinen anderen büchern) etwas wie "gesellschaftskritik durch übertreibung" versucht. in dem ganzen roman geht es um konkurrenzkämpfe - wer hat die tollsten frauen, die neuesten technischen gadgets, wer sieht am besten aus, verdient am meisten geld... es gibt eine herrliche szene, in der sich die männer gegenseitig ihre visitenkarten zeigen, jeder versucht eine noch teurere, noch edler gestaltete visitenkarte zu haben. man hat das gefühl, daß sie sich gleich gegenseitig an die gurgel gehen deswegen - und es geht um visitenkarten! natürlich gehen sie sich in der öffentlichkeit nicht an die gurgel sie sind alle entsetzlich cool und zivilisiert, aber man spürt es förmlich brodeln.
bateman ist derjenige, der völlig aus der bahn läuft. wenn ich das richtig in erinnerung habe, versucht er nach dieser szene den inhaber der tollsten visitenkarte zu ermorden. und er geht nicht nur mit den tollen mädels aus oder schleppt sie ab - er behält sie gleich. und tötet sie.
es geht dabei vor allem um macht, denke ich, und bateman hat jedes gefühl für richtig und falsch verloren, er überschreitet die grenze zwischen gesellschaftlich akzeptierter macht (durch geld, status, ec.) und inakzeptabler macht über andere. mit der zeit verliert er immer mehr den überblick, wird immer verwirrter, brutaler, seine karriere droht den bach runterzugehen, es hat etwas von einem strudel, in dem er immer weiter ins extreme trudelt. und es gibt momente, in denen er selbst versucht, sich aufzuhalten. er erzählt anderen von seinen taten. aber niemand nimmt ihn ernst, man hält ihn für einen lustigen spinner - vielleicht willauch niemand glauben, daß einer von ihnen so durchdrehen könnte.
ich weiß nicht ob ich das gut begreiflich machen kann, aber bateman ist - ins extrem gesteigert - das produkt einer welt, in der es nur noch um geld, status, ansehen, und vor allem macht geht. und in dem jeder die augen vor dem schrecklichen verschließt, das jeden tag auf der welt passiert. in dem niemand sich dafür interessiert, was der andere denkt oder tut, sondern nur dafür, wie er den anderen ausutzen kann. bateman begreift das bis zu einem gewissen grad, kann es aber nicht aufhalten.
noch ein zitat:
"Ich bin einfach nicht da. Es fällt mir in jeder Beziehung schwer, Hand und Fuß zu haben. Mein Ich ist künstlich, eine Anomalie. Ich bin ein unkontingentes menschliches Wesen. Meine Persönlichkeit ist rudimentär und ungeformt, meine Herzlosigkeit geht tief und ist gefestigt. Mein Bewußtsein, mein Mitgefühl, meine Hoffnungen, sind schon lange verschwunden (vielleicht in Harvard), als hätten sie nie existiert. Es gibt keine Grenzen mehr zu überschreiten. Alles, was mich gemein macht mit den Unkontrollierten und Wahnsinnigen, den Grausamen und Bösen, all die Blutbäder, die ich verursacht habe, und meien völlige Gleichgültigkeit darüber, habe ich jetzt selbst übertroffen. Und trotzdem klammere ich mich an eine einzige platte Wahrheit: Niemand ist sicher, nichts ist gesühnt. Und doch bin ich schuldlos. Jedem Modell menschlicher Verhaltensweisen muß eine gewisse Berechtigung zugestanden werden. Ist das Böse etwas, was man ist? Oder ist es das was man tut? Mein Schmerz ist konstant und schneidend, und ich hoffe für keinen auf eine bessere Welt. Tatsächlich will ich, daß meinen Schmerz auch andere erleidedn. Ich will, daß keiner davonkommt.
Aber selbst nach diesem Eingeständnis - das ich zahlose Male gemacht habe, bei fast allen Taten, de ich begangen habe - und nachdem ich mich der Wahrheit gestellt habe, tritt keine Katharsis ein. Ich erfahre keine tiefere Wahrheit über mich selbst, keine neue Erkenntnis kann aus meiner Beichte gezogen werden. Ich hatte gar keinen Grund, Ihnen das zu erzählen. Dieses Geständnis hat nichts zu bedeuten."
es hat wirklich nichts zu bedeuten, es glaubt ihm ja niemand. vielleicht sind seine taten ein versuch der flucht aus desem strudel von "immer höher, schneller, weiter, reicher, angesehener, gewissenloser..." - vielleicht passt er sich auch nur an. auf jeden fall kann er es nciht mehr stoppen, auch wenn er es versucht.
deswegen fand ich das ende so schockierend. natürlich rechnet man damit, daß er erwischt wird, daß die guten am ende gewinnen und der mörder bestraft wird.
ist nicht. den guten ist es scheißegal was um sie herum passiert (oder es gibt keine "guten"). "Und auf dem Schild stehen in farblich auf die Portieren abgestimmten Lettern die Worte KEIN AUSGANG."
selbst im letzten satz wird wert darauf gelegt, daß alles hübsch und stilvoll ist. und aus dieser hübschen, stilvollen welt der erfogreichen gibt es keinen ausgang. da kann bateman noch so sehr um sich schlagen, er kommt aus diesem system nicht raus. und das ist ein moment, in dem ich fast mitleid mit ihm hatte.
noch zwei zitate, die für mich den sinn des ganzen gut umreissen. ellis selbst hat dem buch ein zitat der talking heads vorangestellt:
And as things fell apart
Nobody paid much attention
Und Elke Heidenreich, die ich sonst nicht sehr mag, hat darüber geschrieben:
"American Psycho läuft drohend, grollend wie ein Unwetter an, und plötzlich schlägt der grausame Blitz ein: Die Banalität des Schrecklichen, die wir verdrängen wollen, trifft uns und zwingt uns, das Unerträgliche wahrzunehmen: die Oberflächlichkeit, die Brutalität, mit der wir uns abfinden. In einer Medienwelt, die jedes Thema lächelnd in drei Minuten abhandelt--vom Holocaust über die Salatbar zum Krieg--ist dieses Buch ein Schuß ins Herz, Picassos Guernica vergleichbar."
natürlich ist es jedermanns gutes recht, zu sagen, "das ist mir zu arg, das ist ekelhaft und brutal". aber man muss sich nur einmal die nachrichten im fernsehen ansehen, um zu wissen, wer hier grausam und brutal ist.
eins noch: falls jemand die thematik ansatzweise spannend findet, aber keine lust auf den hardcore in diesem buch hat, dem würde ich andere bücher von ellis empfehlen, vor allem "untern null". ähnliches thema, aber besser für den magen...