Hallo, allerseits!
Da ich schon etliche Lesungen und eine andere Leserunde sowie einiges an Leserfeedback, Pressestimmen etc. zu diesem Roman bekommen habe, mische ich mich jetzt doch ein mal ein. 
Meine Romane sind keine Doku-Dramen. Es ist nämlich der Vorzug der Literatur vor der non-fiktionalen Geschichtsschreibung, dass sie allgemeinmenschliche und zeitlose Aspekte aus dem Faktengewühl herausarbeiten kann. Es geht nicht darum, jedes (vermeintliche) Rätsel zu lösen, für jede Frage eine Antwort zu präsentieren. Die kann jede(r) nur für sich selbst finden.
Man kann es sich leicht machen und Varus die entsprechende Kompetenz absprechen und als Versager abstempeln. Auf den ersten Blick erscheint das naheliegend, vielleicht sogar logisch. Aber das widerspricht seiner Biographie. Es war dieser krasse Widerspruch, der einen besonderen Reiz ausmachte, als ich der Frage nachging, wie das, was geschah, geschehen konnte. Nicht einmal die versiertesten Wissenschaftler, die sich heutzutage mit dieser Schlacht beschäftigen, haben eine simple Antwort, und auch ich bin der Überzeugung, dass es diese simple Antwort nicht gibt.
Varus stützte sich schon in Syrien auf einheimische Berater und ist damit sehr gut gefahren. Er war nicht nur ein kluger Jurist, sondern auch ein versierter Heerführer, der in heiklen Situationen strategisch klug vorging und taktisch geschickt operierte. Er verließ sich nie ausschließlich auf die militärische Option, sondern immer zugleich auf die Rechtsprechung (sowohl nach römischem Recht als auch nach der Mischform des ius gentium).
Dass dieses Vorgehen bei den Germanen fehlschlug, hat auch die antiken Geschichtsschreiber vor Rätsel gestellt. Augustus trauerte um Varus, ließ seinen sterblichen Überresten ein feierliches öffentliches Begräbnis zukommen. In den nächsten Jahren findet sich (trotz einer sicherlich umfangreichen Untersuchung der Vorgänge durch den Senat) nicht der geringste Hinweis darauf, dass man Varus beschuldigte oder gar zum Versager stempelte.
Das passt allerdings so gar nicht zu unserer hübschen deutschen Hermannslegende, in der der tapfere und aufrechte deutsche Recke den dummen und feigen welschen Schuft vernichtet.
Warum der Roman "Varus" heißt? -- Weil es um Varus geht und um alle die, die ihm anvertraut waren! Weil die Falle letztendlich zuschlug, weil er schon vor dem Abmarsch im Netz der Spinne hing, und es nichtsdestotrotz seine Entscheidungen waren, die die Falle mehr und mehr zuschnappen ließen.
Dennoch ist es derjenige, dem die Falle gestellt wird, nicht schuld an der Falle.
Die Frage ist doch, wie gingen die Opfer mit dieser ganz speziellen Situation um? Wann erkannten sie, dass sie in eine Falle tappten? Welche Möglichkeiten hatten sie überhaupt?
Der Hinweis auf die Karte bezog sich darauf, dass die nächsten -- kleinen -- Garnisonen zwei Tagesmärsche entfernt waren, die Region des Hinterhalts befand sich zwar auf einem alten Handelsweg, dem Hellweg, aber fernab von jeder Möglichkeit, Entsatz durch frische Truppen zu rufen. Im Falle einer Einigelung wären sie auf sich allein und auf ihre Vorräte angewiesen. Centurio Marcus Caelius schlägt das vor, aber ist es wirklich realistisch, dass der Feind sich dann dem Kampf stellt oder abzieht? Sind die Vorschläge der anderen Offiziere wirklich tauglich?
Und noch etwas: Muss man die Leser in den Kopf einer Figur blicken lassen, um sie zu verstehen?
Haben wir diese Möglichkeit im wirklichen Leben?