Hier meine Rezension, das Leserundenfazit kommt später, die läuft ja noch. 
Achtung! Text enthält minimale Spoiler zu einigen Vorgängerbänden!
Bei einem Roman mit dem Titel Totenmeer überrascht es wenig, wenn der Leser ein ziemlich düsteres Setting präsentiert bekommt. So lebt der sechste Teil der Phileasson-Saga auch von dieser Atmosphäre, die die Autoren ab dem ersten Schritt, den die Figuren in das Totenmeer (das nicht Meer noch Land ist) setzen, meisterhaft zu erzeugen wissen. Einige Parallelen zum zweiten Roman Himmelsturm sind vorhanden, und sicher auch gewollt, und doch ist die Stimmung im Buch eine deutlich andere.
Das Totenmeer präsentiert sich mit seiner Eigenart und seinen Bewohnern als große Herausforderung für die Wettfahrer Beorn Asgrimmson und Asleif Phileasson und ihre Mannschaften. Überall lauern sichtbare und unsichtbare Gefahren, die das Leben der Recken bedrohen und nicht immer einfach mit dem blanken Schwert aus dem Weg geschafft werden können. Und auch innerhalb beider Ottajaskos herrscht einiges Konfliktpotenzial, das sich noch verstärkt, wenn sich beide Teams im Rennen um die Lösung der Aufgabe wieder näher kommen.
Wie im vorherigen Band Schlangengrab hat von den beiden Drachenführern aus meiner Sicht auch in Totenmeer Beorn die deutlich besseren Szenen. Damit setzt sich der Trend fort, dass Beorn erheblich mehr Sympathien zukommen als es in den ersten Bänden der Fall war. Für die weitere Fortsetzung einer spannenden Wettfahrt ist es sicherlich von Vorteil, wenn die Kapitäne nicht nur von ihrem Können sondern auch in der Lesergunst auf einer ähnlichen Stufe stehen.
Der Magier Abdul el Mazar hat in diesem Roman als Perspektivfigur deutlich mehr Präsenz als bisher. Das hat mich persönlich sehr gefreut, da ich ihn für einen überaus interessanten Charakter halte. Darüber hinaus ist er wirklich ganz hervorragend dargestellt. Seine Verwirrtheit gepaart mit seinem außerordentlichen magischen Talent bietet die Grundlage für viele atemberaubende, oft humoristische aber teils auch beklommen machende Szenen.
Etwas enttäuscht war ich dagegen von Lailath, der zweiten Figur aus Phileassons Team mit besonderem Fokus. Zwar sind auch ihre Szenen spannend und atmosphärisch. Aber ihr Handeln ist für mich bis zum Ende des Romans nicht schlüssig.
Shaya Lifgundsdottir, die als große Sympathieträgerin in den vergangenen Romanen stark in Erscheinung trat, hat in ihrer Trauer um Cessimasab viel mit sich selbst zu tun und tritt passenderweise dieses Mal sehr in den Hintergrund.
Auf Berons Seite ist es neben dem Drachenführer selbst vor allem Galayne, der in mehreren Szenen in den Vordergrund tritt. Und natürlich Zidaine. Selbst wer -wie ich- zuletzt kein besonders großer Fan ihrer Geschichte war, dem kann ich dieses Buch guten Gewissens sehr ans Herz legen. Auch wenn zunächst vieles wie ein "Weiter wie bisher" aussieht, wird man in der zweiten Hälfte des Buches mit einer völlig unerwarteten Wendung der Geschichte konfrontiert. Dabei gewinnt ein weiterer bekannter Charakter sehr stark an Profil. Aus meiner Sicht ist den Autoren hier ein wirklicher Coup gelungen!
Die Gesamthandlung des Buches ist, obwohl sie fast ausschließlich in einer sehr eintönigen Umgebung spielt, spannend und abwechslungsreich und hält mehrere Überraschungen bereit. Beide Ottajaskos müssen hart für das Ziel kämpfen, so dass auch dieses Mal die Action nicht zu kurz kommt. Am Ende ist es ein äußerst knappes Rennen um den Preis, der nicht nur von Phileasson und Beorn sondern mindestens vier weiteren Parteien beansprucht wird.
Ein paar Worte noch zum Prolog, der für diese Serie traditionell umfangreich ausfällt. Für sich genommen empfand ich den Prolog als sehr spannend und atmoshpärisch dicht sowie eine gute Vorbereitung auf die spätere Haupthandlung. Allerdings ist dies der erste Prolog in der gesamten Serie, der keine für mich erkennbare Relevanz über das Buch hinaus hat. Bisher wurden in den Prologen immer Personen eingeführt, die mindestens in den nachfolgenden Band überdauert haben, oder es wurde die Vergangenheit wichtiger Figuren beleuchtet. Dadurch wird die Länge der Prologe für mich normalerweise absolut gerechtfertigt und ich lese sie immer sehr gerne. Dieses Mal scheint es mir nicht so, als ob Personen oder Aspekte des Prologes in folgenden Bänden noch einmal aufgegriffen werden. Da stellt sich für mich die Frage, ob ein solch langer Prolog nötig ist, oder ob man stattdessen nicht lieber den bekannten und liebgewonnenen Charakteren im Hauptteil mehr Raum hätte geben sollen. Falls ich mich irre und der Prolog für den Fortgang der Saga doch noch eine Rolle spielt, so ist dieser Kritikpunkt natürlich hinfällig.
Insgesamt kann ich sagen, dass mich auch dieser sechste Teil der Serie wieder sehr gut unterhalten hat. Hennen und Corvus schreiben wie gewohnt auf einem konstant hohen Niveau, was das Lesen des Buches für mich wieder zu einem besonderen Vergnügen gemacht hat. Einzig die angesprochenen Kritikpunkte bezüglich der für mich nicht nachvollziehbaren Handlung um Lailath und der Länge des Prologs führen zu leichten Abzügen in der Note, so dass das Buch in meiner persönlichen Rangliste nicht ganz an seinen chronologischen Vorgänger Schlangengrab und den "atmosphärischen Vorgänger" Himmelsturm heranreicht. Ich vergebe 9 von 10 Punkten, was in der gängigen Sternebewertung auf 5 Sterne gerundet wird, da man keine halben Sterne vergeben kann.
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