Beiträge von Iris

    Hallo sandhofer!


    Zitat von "sandhofer"

    Da kann ich Dir nur zustimmen. Bestes Beispiel wohl (ist zwar kein Roman sondern ein Drama, aber sein Autor war immerhin Professor der Geschichte!): Die Jungfrau von Orleans - Friedrich Schiller.


    Schiller hat auch bei anderen historischen Dramen wie z.B. Maria Stuart, Don Carlos und den beiden Wallenstein-Dramen schon mal Fünfe gerade sein lassen -- allerdings auf der Basis eines dezidierten poetologisch-ethischen Konzepts (nachzulesen in seinen tragödientheoretischen Schriften, die stilistisch übrigens ein wahrer "Gaumenschmaus" sind).


    Wenn bei heutigen historischen Unterhaltungsromanen dieses laissez-faire nur der Begründung des Handlungsverlaufes dient, bekomme ich allerdings Bauchweh.
    Wobei es da graduelle Unterschiede gibt: Wenn die Story den Quellen klar widerspricht, rollt es mir die Fußnägel auf; werden Dinge eingeführt, die den Quellen zumindest nicht klar widersprechen, dann schlucke ich das -- es sei denn, es handelt sich um groben Unfug.
    Bei "historischen Unterhaltungsromanen" findet sich leider sehr viel grober Unfug (speziell was z.B. die Rolle der Frau u.ä. angeht :rollen:) -- wenn mal eine Epidemie auftritt, die nicht vermerkt ist, man aber davon ausgehen kann, daß in besagtem Jahrhundert mehrere Epidemien an diesem Ort gewütet haben, dann geht 's noch (der Begriff "Pest" z.B. bezeichnete jede epidemisch auftretende, lebensbedrohliche Seuche -- und lebensbedrohlich war für die Masse der Armen damals auch eine Magen-Darm-Grippe!). Außerdem traten vereinzelte Fälle der Beulenpest auch während anderer Epidemien immer wieder auf -- Schädlinge und Ungeziefer waren nun einmal stark verbreitet.
    Da finde ich verzerrte Lebensdaten schon problematischer. ;)
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Sabine!


    Dann hab ich 's richtig verstanden! Ich war einen Moment lang geneigt, das Buch als "Krimi mit Promi vor bunter Kulisse" einzustufen.
    Aber wenn es schön ausgewogen ist, kann ich ja mal ernsthaft darüber nachdenken, weil insgesamt klingt es interessant. :)
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Sabine!


    Zitat von "Sabine"

    "Ein sehr spannend erzählter, atmosphärisch dichter, detailgenauer, historisch ausgezeichnet recherchierter und dennoch nie langweilig wirkender Roman;


    Wieso eigentlich "dennoch"??? shock.gif
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, ihr Lieben!


    Es ist schon eine Weile her, daß ich Ursula K. LeGuins Erdsee-Zyklus gelesen habe ... ich weiß aber, daß es mir richtig gut gefallen hat, wesentlich besser als z.B. MZB, die mir zuviel mit dem erhobenen (sorry ...) Feministinnenzeigefinger daherkam.
    Mein LIeblingsbuch von LeGuin ist allerdings The Lathe of Heaven (s.u., dt. Die Geißel des Himmels), der zwar meist unter SciFi gehandelt wird, aber reinste Phantastik ist: Ein junger Mann stellt eines Tages fest, daß seine Träume wahr werden -- was er nachts träumt, wird über Nacht zu Realität in seiner Welt; das führt zu schrecklichen Problemen in dieser Welt, zu globalen Konflikten. Gemeinsam mit einem Psychotherapeuten macht er sich daran, die Probleme der Welt mit seinen Mitteln zu lösen, was die Situation nur immer mehr außer Kontrolle geraten läßt. Schließlich versucht sein Unterbewußtsein alles durch das Eingreifen einer außerirdischen Zivilisation zu retten.
    Es ist eine phantastische Parabel über die Frage danach, was Realität ist, aber auch über die Schriftstellerei! :breitgrins:
    Ansonsten gibt es von ihr noch ein wunderbares Buch für Autoren, eine Zusammenstellung von Texten und Übungen aus Seminaren, die sie geleitet hat: Steering the Craft: Exercises and Discussions on Story Writing for the Lone Navigator or the Mutinous Crew -- ein Buch aus dem man als Autor schon allein aufgrund von LeGuins wundervollem Schreibstil sehr viel lernen kann.
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Nimue -- hallo, ihr Lieben!


    Wenn ein Autor selbst darauf hinweist, habe ich überhaupt kein Problem damit. Poetische Freiheit bedeutet auch, Fakten zu verändern -- das haben auch die Klassiker getan, wenn es um die Vermittlung von über den Rahmen hinausweisenden Inhalten ging.


    Wie ich schon mehrfach schrieb: Problematisch wird es für mich, wenn ein Autor oder ein Verlag mit der Authentizität der Hintergründe wirbt. Als besonders unfaires Geschäftsgebaren sehe ich es an, wenn ein Verlag Autoren der historischen bzw. historisierenden Phantastik (z.B. Kai Meyer, den ich als Phantastik-Autor schätze) aus rein wirtschaftlichen Gründen als historischen Autor anpreisen -- das ist schlicht und einfach Etikettenschwindel, den obendrein der Autor ausbaden muß, denn sein Name steht auf dem Einband!
    Nervig ist auch wenn Autoren ohne Grund erkennbar schlampig recherchiert haben, weil es ihnen die Sache nicht wert war, oder wenn sie die realen Verhältnisse nach ihren ideologischen Bedürfnissen verbiegen (Autoren mit religiösem Impetus sind besonders schlimm).


    Wobei ich ausdrücklich die Historicals ausschließen möchte, die erst gar nicht den Anspruch auf einen wie auch immer gearteten Realitätsbezug erheben, sondern nur eine simple Geschichte vor bunter Kulisse bieten. Auch das findet seine Leser und hat somit Berechtigung, und die Tatsache, daß ich persönlich solche Sachen schauderhaft finde, bedeutet ja nicht, daß ich ihre Abschaffung fordern oder gegen sie missionieren muß! :breitgrins:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Alfa Romea!


    Zitat von "Alfa_Romea"

    Es gibt Leute, die wollen lesen, um unterhallten zu werden.
    Es gibt Leute, die wollen lesen, um gut (im Sinne von anspruchsvoll) unterhalten zu werden.


    Und nicht selten lesen dieselben Leute, die Eco schätzen, auch mal einen richtig trivialen Thriller! :breitgrins:


    Zitat

    Und so schlimm wie in der TV-Welt ist es bei den Büchern ja noch nicht...


    Da bin ich mir nach "meinen" beiden letzten Buchmessen nicht mehr so sicher. Daß die Auswahl für viele Leser qualitativ besser erscheint, als sie ist, liegt am Engagement vieler Buchhändler; denn wenn man sich zum Vergleich Bahnhofsbuchhandlungen, Supermarktregale, die Buchsortimente der Warenhäuser etc. anschaut, ergibt sich leider ein anderes Bild.
    Einige große Publikumsverlage -- vor allem die in globalen Medienkonzernen konzentrierten -- verlegen sich zunehmend aufs reine Lizenzgeschäft (d.h. TB von HC, aber vor allem fremdsprachliche Lizenzen). Dabei werden vor allem "Pakete" gekauft, der interessanteste Pool sind die USA, wobei auch Lizenzen von bisher unveröffentlichten Manuskripten gekauft werden, um diese im deutschsprachigen Raum auf ihre "Marktfähigkeit" zu testen. Diese Vorgehensweise ist im Hinblick auf die Kosten, die die Herstellung von Büchern für einen Verlag verursachen, wesentlich leichter zu kalkulieren als die Betreuung von noch unfertigen Manuskripten. Man benötigt dazu z.B. weitaus weniger Personal, und die einzelnen Arbeitsschritte sind leichter kontrollierbar, da der Umfang des Manuskripts von Anfeng an feststeht.
    An sich sollte sich das Problem durch das Kaufverhalten der Leser regeln (so die wirtschaftswissenschaftliche Theorie). Aber da die Konzerne Verlag um Verlag aufzukaufen suchen, werden andere Angebote immer weiter reduziert, zugleich sorgt das für eine Marktdominanz, gegen die die kleineren Verlage nicht ankommen. In der Konsequenz bedeutet das, daß die Möglichkeit der Käufer, auf das Marktgeschehen Einfluß zu nehmen, immer weiter schwinden.
    Und da die Vertriebspolitik dieser Konzerne zunehmend "offensiv" (umnicht zu sagen: aggressiv) wird, verengt sich der Spielraum für die Buchhändler immer mehr. Vermutlich ist euch schon aufgefallen, daß der Anteil kleiner Verlage zunehmend aus dem Sortiment verschwindet.
    Sorry, für die etwas geschwollene Ausdrucksweise ... Ich gelobe Besserung! :)
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo nimue!


    Eigentlich ist es eine Mischung aus klassischem historischem Roman und Thriller. Ein bisserl Shoot&Run ist auch dabei. :breitgrins:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo Sandra!


    Zitat von "Sandra"

    Ich glaube WENN man von Verantwortung sprechen kann/möchte, dann liegt die doch eher bei den Autoren/Autorinnen bzw. den Verlagen.


    Ich dachte, das hätte ich schonmal weiter oben in diesem Thread geschrieben ...? blink01.gif


    Zitat

    Leider ist es nunmal so, dass die Verkaufszahlen der "Wasserdichte" vorgezogen werden.


    Wo kann ich hier unterschreiben? klatsch01.gif
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo Sandra!


    Zitat von "Sandra"

    Woher aber soll ich wissen, ob ein historischer Roman nun inhaltlich richtig ist, oder nicht?! Muss ich mich vor jedem neuen Buch zunächst mit Fachliteratur außeinandersetzen um nur ja nicht an einen "falschen Roman" zu geraten und ihn nicht entlarven zu können? :confused:


    Ich bin nicht der Ansicht, daß die Leser dafür verantwortlich sind, sich zu informieren.
    Grundsätzlich habe ich mit Abweichungen kein Problem -- mein Problem ist die brechreizerregende Masche, allerorten das Etikett "historisch", "authentisches Bild der Zeit", "hervorragend recherchiert", "jahrelange Recherche" etc. draufzukleben, selbst wenn es sich um eine wüste Räuberpistole handelt.
    Besonders ekelhaft empfinde ich die verbreiteten Hinweise auf "lange Recherchen vor Ort" -- sorry, aber das weckt in mir inzwischen jedesmal den penetranten Verdacht, der Leser solle bittschön auch noch die Urlaubsreisen des Verfassers als besondere Bemühungen um Authentizität würdigen, immerhin bezahlt er sie ja beim Kauf des Buches mit.
    Dann erinnere ich mich an den längst verstorbenen Popstar Liberace, der bei seinen Auftritten die mit zahllosen protzigen Ringen und Ketten geschmückten Hände ins Publikum hielt mit den Worten: "Schauen sie es sich gut an! Sie sollen ja auch was davon haben, schließlich haben Sie das alles bezahlt!" Das ist wenigstens ehrlich. stupid.gif
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo Arwen!


    Zitat von "Arwen"

    Vielleicht weil ich zu dumm bin ?
    So jedenfalls kommen mir hier einige Posts vor.


    Ich kann mich nicht erinnern, daß das irgend jemand hier geschrieben hätte, und ich kann mir auch nicht vorstellen, daß das jemand in irgendeiner Weise gemeint hätte!
    Es geht nicht darum, ob Leser selbst schuld wären, wenn sie Autoren glauben, sondern um die Frage, ob es in Ordnung ist, wenn dem Plot, der "Unterhaltung" alles geopfert wird.
    Es geht keineswegs darum, die Leser verantwortlich zu machen, sondern es geht um die Verantwortung des Autors und der Mitarbeiter in den Verlagen für ihre Arbeit, es geht um ihre Verantwortung gegenüber dem Leser, der schließlich für das bezahlt, was man ihm verkauft!
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Zitat von "Fandorina"

    Bei den meisten Klappentexten von solchen Romanen bekomme ich allein von der bloßen Erwähnung einer enthaltenen Liebesgeschichte schon Bauchweh und lasse das jeweilige Buch im Laden stehen. Allerdings kann ich mir vorstellen, dass einem so auch gut mal was richtig Gutes entgeht, denn auf Klappentexte kann man sich wahrlich nicht immer verlassen.


    Ich habe mich auch mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, mußte aber dem Argument nachgeben, daß die Buchhändler und Leser das so wollen und das Buch keine Käufer findet, wenn nicht explizit was von einer Liebesgeschichte draufsteht. Und dazu bräuchte es Reizwörter wie "schön", "verliebt" etc. :rollen:
    Für die Aufmachung können die Autoren nichts! Das ist nahezu ausschließlich Sache des Verlags. Insofern sollte man sich nicht am Einband orientieren, sondern einfach mal kurz reinlesen. Was bei online-Buchhändlern natürlich wieder schwierig ist ... :sauer:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo Skywalkerin!


    Zitat von "Skywalkerin"

    Das Problem ist nur... woher kann ich wissen, dass ich mich auf den Autor "verlassen" kann?


    Rezensionen können ein gutes Hilfsmittel sein. Erstaunlicherweise sind Rezis in der Presse meist unzuverlässiger als manche fundierte Amazon.de-Leserreaktion. Die fundierten kennt man auch ziemlich schnell heraus.
    Und man sollte sich in Leserforen umtun. Das hilft wirklich weiter, strapaziert allerdings den Geldbeutel, wie wir alle aus Erfahrung wissen. :breitgrins:


    Zitat

    Ganz große Schnitzer fallen allerdings sogar mir auf und dann versuche ich eben herauszubekommen, wie es wirklich war. Allerdings kann es dann sein, dass es das letzte Buch von dem Autor war, das ich gelesen habe.


    Geht mir genauso. Diese Probleme haben dazu geführt, daß ich inzwischen einen Riesenbogen um historische Romane US-amerikanischer Provenienz mache. Ich habe in dieser Hinsicht schon ziemlich viel Geld zum Fenster rausgeschmissen -- und man wird diese Dinger ja auch nicht mehr los! :sauer:
    Auch bei deutschen Autoren habe ich meine No-nos, wobei das zum Teil an Erzählweise und Stil liegt, also tw. auch reine Geschmackssache ist.
    Aber eigentlich kriegen gute Autoren bei mir immer wieder ihre Chance. Z.B. Robert Harris' Fatherland ist großartig, Enigma ein spannender Roman, der so ziemlich alles hatte -- glasklar und einfach gut geschrieben --, Pompeii hingegen finde ich schlichtweg Sch###. Trotzdem würde ich mir den nächsten Harris vermutlich wieder zulegen.


    Zitat

    Wenn die Story interessant ist, dann stört mich auch ein leichtes Stirnrunzeln nicht, wenn mir etwas auffällt.


    Bei mir müssen dann die Figuren und das Zeit-/Lokalkolorit stimmen, dann kann ich vieles verzeihen. Oder der Roman hat phantastische Elemente wie z.B. Kai Meyer Das Buch von Eden.


    Zitat

    Was mich allerdings stört ist, dass im Moment einfach zu viele Bücher das Prädikat "Historischer Roman" erhalten - Hauptsache, die Handlung spielt nicht in den letzten 20 Jahren. :rollen:


    Das Stichwort "historisch" garantiert Quote -- das ist der einzige Grund. Aber indem die großen Publikumsverlage unüberlegt jede Menge Schund absondern, der die Leser letztendlich nur verärgert, bringen sie das ganze Genre in Verruf und schaden damit wiederum nur sich selbst.
    Als ich mich letztens mit jemandem über meine Arbeit unterhielt und seine Frage, was ich denn schrieben, damit beantwortete, daß ich zwei historischen Romane veröffentlicht hätte, quittierte er das mit leicht geschürzten Lippen: "Ach, Liebesschnulzen!"
    Der Mann ist kein Einzelfall. Das Vorurteil sitzt tief. :grmpf:
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:


    Viele Grüße[/quote]

    Hallo, Nimue!


    Zitat von "nimue"

    Da kann doch schon mal ein Fehler passieren, oder?


    Selbstverständlich kann man nicht jedes Fitzelchen von einem Detail überprüfen. Man muß sich auf seine Quellen und seine Informanten verlassen können. Das funktioniert nur mit einer profunden Skepsis gegenüber Übersetzungen und der Bereitschaft, sich auch mal wissenschaftliche Literatur anzutun. Was anfangs richtig spröde erscheint, kann sich allerdings innerhalb kürzester Zeit als spannende Auseinandersetzung erweisen. Ich würde keine historischen Romane schreiben, wenn mir diese Spielchen nicht einen Riesenspaß machen würden. Denn sich auf eine Information einfach zu verlassen, weil sie perfekt in mein Konzept paßt, ist eine gefährliche Falle!
    Das Grundprinzip der Recherche ist ein Prinzip aus dem römischen Straf- und Zivilrecht: audiatur et altera pars -- auch die Gegenseite soll angehört werden. Denn erst aus der Auseinandersetzung mit Thesen und Gegenthesen kann sich das farbige Bild einer Welt entfalten, in der die betreffende Geschichte sich entwickeln kann.
    Im anderen Fall bastelt man nur einen bunten Hintergrund für eine Geschichte.
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo Ingroscha!


    Zitat von "Ingroscha"

    Ich schätze man kann nicht ausschließen, dass diesen Autoren zuvor die gleichen Bären aufgebunden wurden und sie sich deshalb ihrer groben Schnitzer gar nicht bewusst sind.


    Naja, wenn man sich auf die Lektüre populärwissenschaftlicher Sachbücher beschränkt, kann das natürlich passieren -- aber das ist m.A.n. auch eine verdammt löchrige Recherche. ;)


    Andererseits gibt es in der Tat Autoren, die Fakten entstellen und das tatsächlich mit dem Unterhaltungsargument begründen, oder sich auf den Standpunkt zurückziehen, Romane seien fiktional und das fiktionale muß sich nicht an die Realität halten, oder sogar größen wie Schiller oder Shakespeare heranziehen, die es ja schließlich auch nicht so genau genommen hätten mit der historischen Realität. Gerade das letzte Argument empfinde ich als ziemlich vermessen ...
    Wie gesagt: Ungenauigkeiten und Verzerrungen im Dienste eines poetischen Konzepts (die Kamine im Baudolino, die eine Mordintrige à la Edgar Allen Poe inszenieren!) sind okay, aber bitte nicht nur weil die Story sonst nicht aufgeht! :breitgrins:


    Zitat

    Vorletztes Jahr war ich auf dem Römerfest in Kalkriese (wo sich die Varus-Schlacht abgespielt haben soll) und dort habe ich viele Informationen in dieser Richtung "aufgesogen" :smile:


    Ich habe auch sehr viele Eindrücke von solchen Veranstaltungen. Beschreibungen, Skizzen und Abbildungen können die lebendige Darstellung und Rekonstruktion nicht ersetzen.
    Außerdem ist ein Trupp durchtrainierter junger Legionäre ein schmucker Anblick. :breitgrins:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Martin!


    Das Mittelalter war geoklimatisch gesehen in Europa eine Warmzeit. Man konnte zeitweilig bis nach Skandinavien und Schottland hinauf Wein anbauen! Die Sommer waren warm, die Winter mild und regnerisch.
    Zu Beginn der Frühen Neuzeit ereignete sich ein tw. dramatischer Klimawechsel, wobei nicht nur in manchen Jahren die Sommer regelrecht ins (kalte) Wasser fielen, sondern lange Frostperioden im Winter zu Mißernten und infolgedessen zu Hungersnöten führten.
    Unsere Vorstellungen einer Weißen Weihnacht stammen aus dem 18.Jh., als Wintereinbrüche um die Wintersonnwende normal waren. Als es im frühen 19.Jh. allmählich wieder wärmer wurde, begann man sich in romantischer Verklärung der Umstände nach der weißen Pracht zum Festtag zu sehnen. ;)
    Ich kann mich nochmal nach den genauen Studien erkundigen; diese Erkenntnisse basieren auf schriftlichen Quellen aller Art, aber auch auf archäobotanischen Untersuchungen (Pollen etc.).
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo trinity!


    Zitat von "trinity"

    Mir könnte man wahrscheinlich so ziemlich alles verkaufen -


    Deshalb halte ich das ganze auch für eine ethische Frage: Autoren sind m.A.n. eigentlich verpflichtet, ihren Lesern keine Bären aufzubinden, allerdings ist das eine Selbstverpflichtung, die man nicht erzwingen kann.
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Nochmal hallo, ihr Lieben!


    Hmmmpfff ... um nicht komplett mißverstanden zu werden: Mir geht es nicht darum, daß nur Elemente vorkommen, die auch wirklich verbürgt sind, also jedes gesprochene Wort, sondern um die Glaubwürdigkeit. Denn sonst könnte man ja keine Geschichten um historische Ereignisse erfinden.
    D.h. es geht mir um die grundsätzliche Frage, ob es vom heutigen Kenntnisstand her glaubwürdig und wahrscheinlich ist, daß sich die (historisch verbürgten oder fiktiven) Personen so verhalten haben, wie es geschildert wird.


    Ich mag z.B. Diana Gabaldon überhaupt nicht, aber auch bei ihr ist mir die historische Genauigkeit ziemlich wurscht, weil sie ohnehin mit einem Element der Phantastik, nämlich der "Zeitreise", arbeitet. Auf diese Weise könnte ihre Claire -- wenn man der modernen Physik Glauben schenkt :breitgrins: -- ebensogut in einem historisch anders gelagerten Paralleluniversum gelandet sein, und schon ist es nicht mehr so schlimm mit der Verpflichtung zur historischen Genauigkeit. :breitgrins:


    Anders ist es eben mit dem verdammten Qualitätslabel "historisch". Man könnte gehässigerweise sagen, daß diejenigen, die den Schmarrn glauben, der in Romanen geschildert wird, selbst schuld seien (schließlich stehe ja "Roman" drauf, und damit sei klar, daß es sich um etwas Erfundenes handele) -- aber die Hauptschuld tragen meiner Ansicht nach die entsprechenden Verlage, die durch Betonung einer "intensiven Recherche" u.Ä. einem Roman den Anschein historischer Seriosität verleihen (den der Autor möglicherweise sogar selbst zu vertreten wähnt), der diesen nicht ansatzweise verdient.


    Ich verabscheue nun mal Etikettenschwindel -- insbesondere wenn es dabei nur um Gewinnmargen geht!
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, ihr Lieben!


    Damit habt ihr ein ziemlich heißes Thema angesprochen ...


    Ich möchte jetzt mal die "historicals" ohne jegliche Wertung außen vorlassen, denn es wäre ziemlich unfair, das alles über einen Kamm zu scheren.
    Wenn allerdings mit der historischen Atmosphäre etc. eines Romans geworben wird, dann schaue ich auch genauer hin, ob mir das realistisch bzw. glaubwürdig erscheint, was dem Leser da verkauft wird. Immerhin gehen die Leute hin und legen ihr gutes Geld dafür auf den Tisch.


    Ich erwarte von jedem Autor eines historischen Romans, daß er mehr als nur ein paar Sachbücher und Mayers Konversationslexikon durchgeht, d.h., daß ihm die neueste Forschung nicht völlig unbekannt ist. Sachbücher hingegen sind leider viel zu oft ein Fundus an völlig veralteten Ansichten, die von Autorengeneration zu Autorengeneration ohne jegliche Überprüfung weitergeschleppt werden. Doch das Bedienen längst überholter Vorurteile (Hexenwahn im Mittelalter, Hygiene, Ernährung, Krankheiten, Kampftechnik, Handwerk etc.) gehört für mich zu den Grundübeln sogenannter historischer Literatur.


    Außerdem erwarte ich, daß ein Autor, wenn ihm die historische Realität einen Strich durch die Rechnung macht, niemals diese Realität an seinen Plot anpaßt und damit verfälscht. Wer im Mittelalter Hexen jagen läßt, römische Legionäre mit den Schwertern auf ihre Gegner einhauen läßt, griechischen Reitern Steigbügel verpaßt oder im Mittelalter eisige Winter schildert, beweist damit, daß er sich nicht sonderlich um die Hintergründe gekümmert hat. Denn die jeweiligen historischen Umstände bestimmen das Denken, Fühlen und Handeln der Menschen der jeweiligen Zeit -- egal ob das nun natürliche oder kulturelle Sachverhalte sind.


    Was mich besonders entnervt, ist, daß extrem viele Autoren eigentlich nur eine Art Zeitreise-Romane schreiben; man charakterisiert eine Figur als "ihrer Zeit voraus", indem man eine Person des 20./21.Jahrhunderts in eine bunte Kulisse transferiert, damit es mal so richtig rundgeht (Stichwort: "pralles Leben" -- Ogottogott! :rollen:). Auf die Spitze getrieben wird das mit Romanen, deren Hauptfiguren weiblich ist. Da wird dem modernen Emanzipationsstreben der Heldin und der beim Leser vermuteten Vorurteilskiste meist (nicht immer) nahezu alles an historischer Glaubwürdigkeit geopfert.


    Der einzige Grund, den ich für Abweichungen von diesem Prinzip akzeptieren kann, ist ein schlüssiges poetisches Konzept wie bei Schiller, Feuchtwanger oder Eco. "Unterhaltung" ist für mich kein Argument, da Unterhaltung m.A.n. aus der Perspektive des Autors (!) Mittel zum Zweck ist und nicht Selbstzweck von Literatur (niemand erzählt Geschichten, weil er unterhalten will, sondern weil er etwas Bestimmtes erzählen will -- und indem man seine Zuhörer/Leser "unterhält", gewinnt man sie für das Erzählte!).


    Ich persönlich habe die Frage der historischen Genauigkeit immer als Herausforderung angesehen, wie Menschen in einer entsprechenden Situation damals Probleme lösten, und keineswegs als einengende Fesseln, die man ruhig auch mal sprengen darf. Selbstverständlich sind bei aller Sorgfalt Fehler dennoch nicht zu vermeiden und werden spätere Generationen, die ein anderes Bild der betreffenden historischen Epoche haben, mir meines als historische Ungenauigkeit ankreiden. Jedes Bild einer historischen Epoche ist letztendlich nichts weiter als eine Annäherung, kein perfektes Abbild -- aber das darf keine Rechtfertigung dafür sein, die historische Realität bzw. unsere Kenntnis davon als einen knallbunten Fundus für eine billige Maskerade auszuschlachten, nur um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen.


    Das Obige gilt -- wie eingangs geschrieben -- selbstverständlich für Literatur, die mit dem Etikett "historisch" beworben wird bzw. für den historischen Anteil z.B. eines historisch-phantastischen Romans, insofern dieser als "historisch" etikettiert wird, um ihm Seriosität zu verleihen.


    Nur meine 2 Cent ... nichts für ungut! ;)
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

    Hallo, Bluebell!


    Zitat von "Bluebell"

    Ich hatte vorher noch nie gehört, dass man sich dieser bildhaften Interpretation bestimmter Aspekte wirklich so deutlich bewusst war.


    Das kann man zwar sogar mit Zitaten belegen, aber da solche Texte die Vorstellung vom kindlich-naiven antiken Menschen Lügen strafen, wurden sie sogar in höchst akademischen Kreisen tunlichst ignoriert und entweder entstellend oder gar nicht übersetzt. Da sind die Altphilologen sehr stark mitverantwortlich. Leider haben die Schul- und Sachbuchautoren diese Ansicht einfach immer nur voneinander abgeschrieben und nie hinterfragt.


    Zitat von "Bluebell"

    Also dass Eggius gröber Dreck am Stecken hat, habe ich mir auch schon länger gedacht. Aber ich gehöre ebenfalls zu der "Vestrius? Echt???"-Fraktion. :breitgrins:
    Aber davon abgesehen, dass so ein Knalleffekt zum Schluss sowieso gut kommt, hast du natürlich recht - irgendjemand, der Cinna nahestand, musste ja zu Eggius' Meuterern gehören!


    Vestrius ist eine der unauffälligen Randfiguren, einer, dem niemand etwas Schlechtes zutraut, der eigentlich auch nichts Schlechtes tun will, aber dem Falschen glaubt, aus dem Schlamassel, in den er dadurch geraten ist, nicht mehr hinausfindet. Als er schlußendlich doch noch eine spontane Wende versucht, kostet ihn das das Leben.
    Ich mochte ihn in seiner Einfachheit eigentlich gerne und habe ihn nur sehr ungern "geopfert".


    Zitat

    Für Band 3 bin ich schon sehr gespannt, wie es mit Saldir weitergeht!


    Es bleibt spannend, wenn ich das mal so sagen darf. ;)


    Zitat

    Den Sunja-Kritikern kann ich mich eigentlich nicht anschließen. Mich stört es nicht, dass sie einen ziemlich angepassten, eher unspektakulären Charakter verkörpert - also das heißt nicht, dass ich ihr Handeln immer gutheiße oder es genauso machen würde, sondern einfach nur, dass ich sie nicht lieber anders gesehen hätte.


    Schön, daß es dir auch so geht -- aber ich rede mich leicht, ich bin quasi ihre Mutter. :breitgrins:
    Meiner Ansicht nach sollte es nicht nur die starken Frauen modernen Typs geben, sondern auch andere, die Zeit brauchen sich zu entwickeln. Ein "normales" knapp 20jähriges Mädchen, das aus seiner Familie und seinem vertrauten Umfeld herausgerissen wird, krempelt einfach nicht die Ärmel hoch und schafft. Vor allem nicht wenn der Partner sie aus welchen Gründen auch immer nicht ausreichend unterstützt, z.B. weil er selbst zuviel um die Ohren hat. Das gilt nicht nur für die damalige Zeit. Auch heute scheitert so manche interkulturelle Ehe, wenn man dem Partner in ein fremdes Land folgt -- selbst wenn dieses fremde Land auch noch so faszinierend ist!


    Zitat

    Zu Cinna hab ich ja früher schon was geschrieben - finde ihn immer noch den perfekten Hauptdarsteller im Sinne von eben nicht perfekt, aber lebensnah und interessant.


    :sonne:
    Ich hoffe, daß mir einmal wieder so eine Figur gelingt. :)


    Zitat

    Flavus und seine kleine Frau ... wie es mit diesen beiden weitergeht, bin ich auch schon gespannt. Ob er wohl so zärtlich und fürsorglich bleibt, oder ob das nur ein anfängliches Bemühen ist, solange er fürchtet, dass sie ihn wegen seines fehlenden Auges abstoßend findet?


    Darauf komm ich auch wieder zurück, soviel steht fest. :)


    Zitat

    Lucilla ... die ist ja wirklich bis zum Ende so streichelweich geblieben! :breitgrins:
    Also da finde ich deine Andeutungen bzgl. Band 3 schon fast beruhigend. Dass sie nochmal so gemein wird wie anfangs zu Sunja, müsste ich jetzt zwar nicht unbedingt haben, aber so eine Kratzbürste bringt einfach Leben in die Story und mischt das restliche "Personal" schön auf!


    Streichelweich ist sie eigentlich nie, allerdings wenn sie sich einmal für jemanden entschieden hat, ist ihre Solidarität bedingungslos und sie verteidigt ihre Lieben wie eine Löwin. Ich mußte sie für die Entführungsszene aus dem Weg räumen, weil sie sich umgebracht hätte -- und glaub mir, sie war mir sehr böse! Sie hat mir endlos Vorwürfe gemacht -- kein Witz! :breitgrins:


    Zitat

    Ja, und dann noch Tiberius selbst ... zu dem kann ich jetzt irgendwie gar nicht wirklich etwas schreiben. Irgendwie ist er mir suspekt ... hm, ich weiß auch nicht.


    So richtig der "Gute" war er ja auch nicht. Ein schwieriger Vorgesetzter, der Kompetenz zwar zu schätzen wußte, aber Untergebene, die Fehler gemacht hatten, auch mal über die Klinge springen ließ. Er galt als ziemlich undurchsichtig und schwierig im Umgang, einerseits ein tüchtiger Heerführer, andererseits ein argwöhnischer Mann -- eigentlich paßt das alles ziemlich gut zusammen. :breitgrins:
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne: