Hallo ihr Lieben, hallo Dirk,
auch ich bin mit diesem Abschnitt durch und bin schon im Sog der Ereignisse gefangen.
Gleich von Anfang an wird der Leser in die Story hineinkatapultiert, ohne lange Vorrede - das hat mir sehr gut gefallen. Ein schockierendes Szenario, die Auslöschung einer ganzen Familie, und die eigentliche Zielperson kommt mit dem Leben davon. Später erfahren wir, welch mächtige Gruppierungen hinter diesem Anschlag stecken; ich bin jedenfalls sehr gespannt, welches Geheimnis Professor Rasmussen mit sich herumträgt und ob er irgendwann Gelegenheit haben wird, es Cording zu erzählen und öffentlich zu machen.
Cording, die Hauptfigur, ist mir ebenfalls sehr sympathisch. Das Fehlen eines Vornamens ist mir auch sofort aufgefallen, das passt aber sehr gut zu dieser Figur. Seine Fähigkeit, jenseits des abgebrühten Reportertums noch etwas für die Menschen und Tiere zu empfinden, über die er berichtet, hat ihn mir sofort ans Herz wachsen lassen. Interessant fand ich es hier zu lesen, dass Cording durchaus autobiographische Züge trägt, Dirk. Wäre eine Ich-Perspektive auch eine Möglichkeit für dich gewesen, diese Geschichte zu erzählen, oder war dir doch eine gewissen Distanz in Form einer handlungstragenden Hauptfigur wichtig?
Durch Cordings Augen sehen wir eine absolut zerrüttete Welt - allerdings nicht so apokalyptisch verfremdet, dass man das Ganze als Hirngespinst abtun könnte. Nein, die Szenerien haben alle eine realistische Note, und wenn sie auch noch nicht so existieren, so ist doch so einiges vorstellbar bzw. befindet sich die Menschheit durchaus auf dem möglichen Weg dahin. Dabei gefällt mir sehr gut, dass sich die Schilderung nicht rein auf Natur und Umwelt beschränken, wie ich das in einem Öko-Thriller erwartet hätte, sondern dass auch die wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Mechanismen mit in das Gesamtbild eingefügt werden. Das ergibt ein rundes Bild, auch im negativen Sinne.... Besonders hervorheben möchte ich die Ghettoisierung der Arbeitslosen, die dazu noch mit Drogen durch den Staat gefügig gemacht werden, was von den Medien toleriert und verschwiegen wird - diese Szenen haben mir eine extra-gruslige Gänsehaut verursacht.
Aber - soviel hab ich auf den ersten 70 Seiten schon mitbekommen - wir befinden uns in einem temporeichen Roman, und daher taucht auch bereits jetzt ein Gegenentwurf zu diesem ganzen menschengemachten Chaos auf - Tahiti unter seinem offenbar sehr fähigen Präsidenten. Sehr interessant, wie dieses Land auf Cording wirkt, der offenbar mit den letzten Zigaretten auch den Balast des Berufes auf dem europäischen Kontinent lässt, der ihm ganz offensichtlich seine ganze Lebensenergie raubt. Cording lebt angesichts dieser stillen, sauberen und lebensfrohen Inselwelt förmlich auf, und erwähnenswert finde ich, dass es sich dabei nicht um ein unberührtes Paradies handelt, sondern um eine Gesellschaft, die ursprünglich die gleichen Probleme hatte wie alle anderen Staaten auch, diese aber in den Griff bekamen. Ich bin schon sehr gespannt, was wir in dieser Richtung noch alles lesen werden.
So, und dann muss ich noch ein großes Lob loswerden: es gibt ein wunderbar ausführliches Glossar am Ende des Buches. Nun haben Glossare bei mir meistens deswegen schlechte Karten, weil ich sie erst entdecke, wenn das Buch durchgelesen ist und ich mich während der Lektüre mühsam durch unbekannte Begriffe googeln musste, wenn ich dazu überhaupt Lust hatte... Nicht so hier; denn zum einen wird das Glossar bereits auf einer der ersten Seiten angekündigt, und außerdem wird durch die Sternchen im Text immer auf einen entsprechenden Glossar-Beitrag hingewiesen. Danke, Dirk, das ist eine großartige Sache! 
Über das Glossar bin ich auch auf den Begriff "Equilibrismus" gestossen, den ich zuvor noch nie gehört hatte; das ist eine Sache, die bei mir direkt den Nerv trifft und mich brennend interessiert. Soviel ist sicher, wenn ich mit der Lektüre des Buches fertig bin, werde ich mich sicherlich noch weiter mit diesem Konzept befassen und bestimmt auch weiterführende Lektüre dazu angehen. Passend dazu gab es heute in unserer Tageszeitung die Meldung, dass in der Nähe von Crailsheim (in Baden-Württemberg) eine Gruppe von Menschen ein ganzes verlassenes Dorf gekauft hat, um dort ein öko-soziales Lebensmodell zu schaffen, auf genossenschaftlicher Basis. Das scheint ja ganz in die Richtung zu gehen...
Also ihr merkt schon, ich bin hier im richtigen Buch und ich bin überzeugt, die Lektüre wird mir und uns allen so viele Denkanstöße bringen, wie schon lange kein Buch mehr.
Viele liebe Grüße
Miramis