Beiträge von Vandam

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    Gina Mayer: Internat der bösen Tiere. Die Entscheidung (Band 6), ab 10. J., Ravensburg 2022, Ravensburger Verlag, ISBN 978-3-473-40871-9, Hardcover mit Gucklochstanzung, 306 Seiten, mit s/w-Zeichnungen von Clara Vath, Format: ‎15,3 x 3 x 21,5 cm, Buch: EUR 15,99 (D), EUR 16,50 (A), Kindle: EUR 12,99, auch als Hörbuch und Multimedia-CD erhältlich.


    „Du und ich, wir wollen dasselbe“, sagte Noel. „Eine Welt für Menschen und Tiere. Wenn wir uns zusammentun, können wir es schaffen.“ – Uko schüttelte sich. „Ich traue euch Menschen nicht. Ich werde niemals mit euch zusammenarbeiten.“ (Seite 279)


    Ein Jahr ist Teenager Noel jetzt schon auf den Geheimen Inseln im „Internat der bösen Tiere“, wo er von und mit telepathisch begabten tierischen und menschlichen Mitgeschöpfen lernt.


    Mitbegründerin des Internats war seine Mutter Sonya, die bis vor 15 Jahren von einem friedlichen Zusammenleben zwischen Menschen und Tieren geträumt hat. Doch dann kam alles anders. Ihr Zögling, Bär Uko, hat sich gegen sie gewandt und hat ihr Rache für etwas geschworen, wofür sie gar nichts kann. Es ist ihr damals nichts anderes übriggeblieben, als ihren kleinen Sohn Noel ihrer Schwester anzuvertrauen und unterzutauchen. Vor kurzem erst haben sich Mutter und Sohn wiedergefunden. Doch Sonya lebt in Finnland und ihr Sohn in deutlich wärmeren Gefilden.


    Der Showdown steht bevor

    Viel Kontakt haben die beiden nicht. Aber Sonya macht sich Sorgen um ihren Sohn. Uko ist darauf aus, ihn zu töten – und das schon bald. Die Lehrer:innen des Internats teilen ihre Sorge und nehmen ihn aus dem regulären Unterricht heraus. In einer Art Crashkurs soll Noel dafür fit gemacht werden, eine Konfrontation mit dem deutlich stärkeren Bären zu überleben. Er übt Anschleichen, Apnoetauchen, die Orientierung in absoluter Dunkelheit, Kampfkunst – und zu allem Übel will ihm Sprachlehrer Mr Ezekweseli – ein ebenso anspruchsvoller wie humorfreier Marabu – noch auf die Schnelle die Sprache der Vögel beibringen. Vögel gibt’s überall, und die wissen im Zweifelsfall auch, wo sich ein Bär versteckt. Leider hat der ehrgeizige Lehrer im Eifer des Gefechts eine Kleinigkeit übersehen …


    Entführt!

    So gut die Geheimen Inseln normalerweise überwacht und geschützt sind - im Trubel einer Historikertagung, an der „Auserwählte“ aus aller Welt teilnehmen, passiert es: Noel wird entführt. Späherin Katokwe, ein Menschenmädchen aus Nigeria und Noels großer Schwarm, bekommt das mit und schleicht sich heimlich auf das Schiff der Entführer.


    Ein wahnwitziger Plan

    Die beiden Jugendlichen entwickeln den riskanten, ja, wahnwitzigen Plan, die Flucht nach vorn anzutreten. Das heißt, den Entführern zu entkommen, sich zu bewaffnen und den Bären zu erschießen, während er in seiner Höhle Winterschlaf hält. Die Idee ist derart abgefahren, dass sie einfach nicht funktionieren kann!


    Noel strebt – genau wie ich als Leserin – eigentlich eine friedliche Einigung mit Uko an. Er hat begriffen, was ich seit dem ersten Band sage: Protagonist und Antagonist haben dasselbe Ziel: eine bessere, friedlichere Welt. Nur wollen sie das auf verschiedenen Wegen erreichen: Der eine möchte eine Zusammenarbeit zwischen Menschen und Tieren, der andere eine strenge Trennung. Über die Strategie könnte man diskutieren. Leider ist Uko zu fanatisch oder zu beschränkt, um das zu erkennen.



    Abtauchen und verstecken


    Eine abenteuerliche Reise durch mehrere Länder beginnt – und ein ebensolches Versteckspiel. Katokwe, die über ihre Vergangenheit bisher beharrlich geschwiegen hat, offenbart ein paar höchst unerwartete Talente. Wie es aussieht, ist sie in einer ganz anderen Umgebung aufgewachsen, als alle – wir Leser:innen eingeschlossen – bisher geglaubt haben.


    Die Aktivitäten der beiden Teenager bleiben nicht lange unentdeckt, und man fragt sich, wer sie als erstes erwischen und an ihrem Vorhaben hindern wird: Die menschlichen Autoritäten? Die „Auserwählten“ von den Geheimen Inseln? Ukos Verbündete? Oder gar er selbst? Noch schläft er ja nicht …


    Tödliches Finale?

    Seit Band 1 hat sich die Handlung auf diesen Showdown zwischen Teenager und Bär zugespitzt und immer hat es geheißen, dass nur einer von beiden diese finale Konfrontation überleben kann. Da das INTERNAT DER BÖSEN TIERE eine Jugendbuchreihe ist, war ich ziemlich sicher, dass die Autorin den jungen Burschen am Leben lassen würde. Also war meine Hauptsorge, dass Noel, um zu überleben, seinen Überzeugungen untreu werden und seinen Gegner töten muss.


    Wie das Aufeinandertreffen zwischen Noel und Uko verläuft, kann jeder selbst lesen. Nach all den Ängsten und Aufregungen, die dieser Begegnung vorausgegangen sind, habe ich eigentlich ein bisschen mehr Drama erwartet. Aber es ist ein plausibles Ende der Geschichte. Ich bin sehr zufrieden damit.


    Ich werde sie vermissen, die Schüler:innen und Mitarbeiter:innen des Internats, die Begleittiere und sogar den Sprachlehrer Mr Ezekweseli. Dieser komische Vogel ist in seiner absoluten Humorlosigkeit ausgesprochen unterhaltsam – solange man nicht gezwungen ist, ihn als Lehrer zu ertragen. 😊


    Die Stadt der bösen Tiere

    So ganz werden wir auf die „bösen Tiere“ und ihre packenden Abenteuer wohl nicht verzichten müssen. Im Anhang gibt’s eine Vorschau auf den Band STADT DER BÖSEN TIERE. Da spielen mehr Menschen mit als in der Internatsreihe. Vielleicht ist es ein Prequel und hat mit dem Ort Vukoslavici zu tun, von dem Sonya und Uko immer wieder sprechen. Ob das auch eine Serie wird oder „nur“ ein Einzelband ist, kann ich nicht sagen. Wir werden es ja bald erfahren.


    Die Autorin

    Gina Mayer, geb. 1965, studierte Grafik-Design und arbeitete danach als freie Werbetexterin, bevor sie Schriftstellerin wurde. Seit 2006 hat sie eine Vielzahl an Romanen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene veröffentlicht. Ihre Werke standen auf der Spiegel-Bestsellerliste und wurden in viele Sprachen übersetzt. Gina Mayer lebt mit ihrem Mann in Düsseldorf.


    Die Illustratorin

    Clara Vath arbeitet seit 2012 als freischaffende Illustratorin für diverse Verlage. Sie illustriert unter anderem Kinder- und Jugendbücher und schätzt daran vor allem die Vielfältigkeit und das Abtauchen in andere Welten. Ihr Illustrationsstil verbindet oft fantastische und mystische Elemente, die zum Träumen einladen und in Abenteuer entführen.

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    Milena Tebiri, Anna-Charlotte Lörzer, Paula Kuitunen, Stefan Hetterich: Die Hungerwolke. Ein Kinderfachbuch über Essanfälle, ab 6 J., Frankfurt am Main 2022, Mabuse-Verlag, ISBN 978-3-86321-624-5, Hardcover, 71 Seiten mit farbigen Illustrationen von Anna-Charlotte Lörzer, Format: 21,4 x 1,3 x 30,3 cm, Buch: EUR 24,00.


    „Iss, dann geht es dir besser! Bald wirst du nicht mehr so traurig sein, dass Papa schon wieder gegangen ist und es tut nicht mehr so weh, dass Mama und Lena dich nicht mögen“, raunt die Wolke. […] Die Wolke hat Recht. Für einen kurzen Moment fühlt sie sich wohler.“ (Aus dem Buch. Keine Seitenzahlen)


    Ein Buch für Kinder und Erwachsene

    SACHbücher für Kinder sind mir ein Begriff. Zu zahlreichen Themen gibt’s kindgerecht aufbereitete Informationen, zum Beispiel über Hunde, Katzen, Pferde, Bäume oder den Weltraum. Von der Sorte habe ich schon einige besprochen. Unter einem KinderFACHbuch konnte ich mir nichts vorstellen. Ein Kinderbuch richtet sich an Kinder, ein Fachbuch präsentiert einem erwachsenen Expert:innenpublikum wissenschaftliche Erkenntnisse. Wie passt das zusammen? Des Rätsels Lösung: Das Buch ist inhaltlich zweigeteilt.


    Der erste Teil richtet sich ans junge Publikum und präsentiert das Fallbeispiel. Im zweiten Teil, dem Fachteil, geben Expertin Paula Kuitunen und der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut Stefan Hetterich grundlegende Infos zum Verständnis der Binge-Eating-Störung sowie hilfreiche Ratschläge. Ziel ist, betroffenen Kindern und Bezugspersonen zu helfen, regelmäßige Essattacken besser zu verstehen, darüber zu sprechen und mit der Essstörung umzugehen. Eine Liste mit Literaturempfehlungen und Internetlinks vervollständigt das Angebot.


    Die kleine Mona hat Probleme

    Die Geschichte: Die siebenjährige Mona hat Probleme. Seit ihr Vater die Familie verlassen hat, lebt sie mit ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Lena in einem kleinen Dorf. Sie scheint die Einzige in der Familie zu sein, die Papa vermisst und kann mit niemandem darüber reden.


    Das Einzige, was ihr für kurze Zeit ein gutes Gefühl vermitteln kann, ist Essen. Obwohl sie keinen Hunger hat, stopft sie heimlich und hastig eine enorme Menge an Süßigkeiten in sich hinein. Das rät ihr die „Hungerwolke“. So personifiziert sie diesen Vorgang.


    Essen als Trost

    Solange sie isst, fühlt Mona sich sicher und wie in Watte gepackt. Aber danach ist ihr schlecht und sie schämt sich. Wenn sie ständig futtert, wird sie ja noch dicker werden und die Menschen werden sie noch weniger mögen als ohnehin schon. Doch sie kann dieses Verhalten nicht mehr stoppen. Sie braucht das heimliche Essen jetzt, das sie für kurze Zeit ihre Traurigkeit vergessen lässt.


    Dass ihre Mutter dauernd davon redet, dass Mona dringend abnehmen müsse, macht dem Mädchen das Leben nicht leichter. Statt sich verstanden zu fühlen, fühlt Mona sich abgelehnt und ungeliebt. Ihre Familie ist aber auch weder aufmerksam noch mitfühlend!


    Eine Lehrerin erkennt ihre Not

    Eine erfahrene Lehrerin merkt schließlich, dass es Mona schlecht geht


    Der Fachteil für Bezugspersonen

    Der erste Teil ist der, den man mit den Kindern zusammen lesen soll. Daran anschließend folgt der „Fachteil für Bezugspersonen“, in dem Paula Kuitunen und Stefan Hetterich erklären,

    • Wie man die Binge-Eating-Störung (BED) erkennt,
    • Wie Betroffene einen Ess-Anfall erleben,
    • Wie häufig diese Essstörung auftritt,
    • Welche Probleme die BED begleiten können,
    • Woher die Störung kommt,
    • Wobei diese Ess-Anfälle vermeintlich „helfen“,
    • Wonach das betroffene Kind tatsächlich „hungert“,
    • Welche Therapien es gibt,
    • Was sonst noch hilft,
    • Was man als Bezugsperson tun kann.
    • Und es gibt weiterführende Literaturempfehlungen sowie Internetadressen.


    Ich bin keine Expertin für Essstörungen, ich kann also nicht aus fachlicher Sicht beurteilen, wie hilfreich die Tipps und Erklärungen in diesem Buch sind. Ein bisschen kenne ich mich mit Suchterkrankungen aus, und was ich gelesen habe, erscheint mir seriös und plausibel. Die im Anhang aufgeführten Therapieformen und Techniken sind mir teilweise unbekannt. Da muss man sich im Ernstfall gut informieren, wenn man auf eine wissenschaftliche Grundlage Wert legt und nichts Esoterisches erwischen will.


    Die BED ist behandelbar

    Jetzt weiß ich auch, was mich an manchen dieser „Abnehm-Sendungen“ im (amerikanischen) Fernsehen immer gestört hat: Dort haben etliche Teilnehmer ähnliche Gefühle beschrieben wie Mona in dem Buch und sich mit Essen über ein unglückliches Leben oder über traumatische Erlebnisse hinweggetröstet. Da dachte ich oft, Mensch, hier ist es mit Gardinenpredigten, Kalorienzählen und Magenverkleinerung nicht getan. Diese Leute brauchen eine Therapie! Auch wenn nicht alle Betroffenen vollständig geheilt werden können, ist die BED doch behandelbar und eine Besserung durch eine therapeutische Behandlung wahrscheinlich. Das gibt Hoffnung.


    Klüger und glücklicher

    Ich bin mir nur nicht sicher, wie man praktisch mit diesem Buch umgeht. Solange das Kind noch so klein ist, dass man ihm die Geschichte vorlesen muss, ist alles im Lot. Aber sobald es selbst des Lesens mächtig ist …? Ich weiß, dass ich als Kind versucht hätte, mich auch durch den Erwachsenenteil zu arbeiten, was mich natürlich völlig überfordert hätte. Wird das Kind da nicht zusätzlich verunsichert? Oder wird nur eine vernachlässigbare Minderheit von einer derartigen Neugier geplagt? Auf jeden Fall ist DIE HUNGERWOLKE ein Buch, das kleine und große Leser:innen klüger und auf längere Sicht hoffentlich auch glücklicher macht.


    Die Mitwirkenden

    Milena Tebiri, geb. 1976 in Schweden, lebt heute mit ihrem Mann und ihren zwei Kindern in Baselland und schreibt, so oft sie neben dem Bürojob dazu kommt. Ihre eigene Hungerwolke, die sie seit der Kindheit begleitet hat, ist mittlerweile weitergezogen.


    Anna-Charlotte Lörzer, geb. 1990, ist Illustratorin, Geschichtensammlerin, Theaterpädagogin und Puppenspielerin. Das Kombinieren verschiedener Kunstformen und Disziplinen ist für sie ein Mittel, spielerisch durch die Welt zu gehen und diese aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten und zu erforschen.


    Paula Kuitunen, geb. 1983, leitet die Initiative mindcolors (http://www.mindcolors.de), die sich für die Rechte und Entstigmatisierung von Menschen mit psychischen Erkrankungen einsetzt. Sie lebt mit ihrem Mann und drei Kindern in Dresden.


    Stefan Hetterich ist Diplom-Psychologe und tiefenpsychologischer Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut in eigener Praxis. Der Beginn seiner psychologischen Tätigkeit war in einer Reha-Klinik für Kinder mit Adipositas. Er unterstützt Eltern auf www.therapie2go.com.

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    Ich weiß nicht genau, wohin mit diesem Buch - eine Romanbiographie ist ja keine reinrassige Biographie. Ich habe jetzt mal diese Rubrik gewählt. Wenn jemand der Verantwortlichen diese Buchvorstellung anderswo haben will, dann bitte umbetten.


    *****


    Indra Maria Janos: Die Suche nach Heimat. Mascha Kalékos leuchtende Jahre, München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-26341-2, Klappenbroschur, 364 Seiten, Format: 13,1 x 3,3 x 20,8 cm, Buch: EUR 16,95 (D), EUR 17,50 (A), Kindle: EUR 12,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Diese Stadt ist meine Heimat, hier habe ich wundervolle Jahre verbracht […]. Es ist unbegreiflich, dass dieselben Menschen, die einst meine Gedichte geliebt und mit mir gefeiert haben, plötzlich zu Feinden geworden sind. Aber ich habe es erlebt, ich erlebe es täglich.“ (Seite 346)


    Ich weiß: An Roman-Biographien scheiden sich die Geister.


    Manchen Leser:innen ist diese Art der Aufbereitung außergewöhnlicher Lebensgeschichten zu phantasievoll ausgeschmückt, Sie bevorzugen die harten Fakten einer echten Biographie. Das ist vollkommen in Ordnung, aber da sind sie hier falsch. 😊 In dieser Roman-Biographie geht’s um eine teilfiktionale Erstbegegnung mit der Dichterin Mascha Kaléko.


    Zu modern für ihre Zeit

    Berlin in den 1920er-Jahren: Die eigenwillige und unangepasste Mascha ist schon als Teenager zuhause rausgeflogen. Oder wie soll man das nennen, wenn die Familie kein gutes Haar an ihr lässt und ihr ständig damit in den Ohren liegt, sie möge endlich aus dem Elternhaus verschwinden? Dabei tut sie gar nichts Schlimmes, sie ist nur zu modern für ihre Zeit. Die Rolle der braven, jüdisch-orthodoxen Ehefrau, Hausfrau und Mutter ist einfach nichts für sie. Sie will Dichterin werden und von der Veröffentlichung ihrer Werke in Zeitungen und Büchern leben.


    Diesen Traum haben natürlich viele, aber Mascha hat einen Plan und eine Strategie. Um sich über Wasser zu halten, arbeitet sie als Kontoristin bei der Jüdischen Organisation. Privat erfindet sie sich neu. Aus der galizischen Jüdin Golda wird die Polin Mascha Engel. Sie ist ständiger Gast im Romanischen Café, in dem „alle wichtigen Künstler, Journalisten und Verleger Berlins“ (Seite 17) verkehren. Dort will sie berufliche Kontakte knüpfen und in den „inneren Kreis“ vordringen. Wenn sie mit den Entscheidungsträgern erst einmal persönlich bekannt ist, müsste es doch ein Leichtes sein, ihnen ihre Texte zu geben. Deren Qualität wird sie schon überzeugen.


    Auch wenn es gar nicht seine Welt ist, geht Maschas Freund, der neun Jahre ältere und etwas biedere Hebräisch-Lehrer Saul Kaléko, gelegentlich zu ihren Künstlerfreunden mit.


    Eine Ehe voller Kompromisse

    Es ist eine Beziehung voller Kompromisse: Saul nimmt es hin, dass Mascha in absehbarer Zeit keine Kinder haben will, dass ihre hausfraulichen Ambitionen minimal sind und dass sie oft allein ausgeht. Mascha nimmt es hin, dass Saul sich mehr und mehr zu einem Stubenhocker entwickelt, dass er an ihrer Künstlerinnenkarriere wenig Interesse zeigt und selbst dann nicht mitkommen möchte, wenn sie irgendwo auftritt. Also ist sie ohne ihn unterwegs, trifft Freunde und Künstlerkollegen und flirtet mit anderen Männern.



    Letzte Hoffnung: Emigration?

    „Die Nationalsozialisten versuchen gerade, unser gesamtes kulturelles Selbstverständnis zu zerstören“, brummte Saul […]. „Wie viele unserer Bekannten und Freunde sind schon fortgegangen? Journalisten, Autoren, Künstler, Schauspieler … A d o l f H i t l e r ist noch nicht einmal drei Monate Reichskanzler, und schon hat er die gesamte Elite der deutschen Literatur- und Kunstszene vertrieben.“ (Seite 195)


    Berlin in den 1930er-Jahren: Mit Sorge beobachtet Saul Kaléko die politische Entwicklung und drängt auf umgehende Auswanderung nach Palästina. Aber Mascha will nicht.

    Dieses Zögern, Herumlavieren und Hinhalten kann jetzt für alle Beteiligten lebensgefährlich werden …


    Mit Originalgedichten von Mascha Kaléko

    In diesem Buch geht’s ausschließlich um Maschas Berliner Jahre. Wie es für sie weiterging und ob sie doch noch irgendwo sowas wie eine Heimat gefunden hat, wird lediglich im Epilog gestreift. Es gäbe über diese interessante Frau schon noch einiges zu erzählen.


    Eingebettet in die Geschichte sind Originalgedichte von Mascha Kaléko. Die Stimmung darin und selbst einige der Formulierungen finden sich im Roman wieder. Man kann sich gut vorstellen, dass die Hauptpersonen wirklich so gedacht und gefühlt haben könnten, wie Indra Maria Janos es in ihrem Roman beschreibt.


    Ängste und Ambitionen

    Ich konnte Maschas für damalige Zeiten unkonventionelle Ambitionen nachvollziehen – und in gewisser Weise auch ihr unvernünftiges Festhalten an der vermeintlichen Sicherheit von Ehe und Heimat. Beides will sie nicht aufgeben. Wie es war, heimatlos und allein auf sich gestellt zu sein, das hat sie ja schon erfahren.


    Mir hat ihr Mann leidgetan. Saul lebte in einer ganz anderen Welt als seine Frau und hat entweder nicht mitbekommen, was um ihn herum vorgeht, oder er wollte es nicht wahrhaben. Ein netter Kerl, ein bisschen spießig vielleicht, der mit Mascha und ihrem Umfeld etwas überfordert wirkte.


    Aufgrund des Epilogs habe ich nach dem weiteren Leben von Mascha und ihren Angehörigen gegoogelt. Und das würde mich jetzt doch im Detail interessieren! Dankenswerterweise gibt’s ein Literaturverzeichnis und da ist auch eine Biographie aufgeführt. Die habe ich jetzt mal auf meine Leseliste genommen. Auf diese Idee wäre ich ohne diesen Roman nie gekommen. Und das schätze ich an diesem Genre: Es unterhält den Leser und macht ihn ein kleines bisschen schlauer. Mit der Option auf mehr.


    Die Autorin

    Indra Maria Janos ist das Pseudonym einer Autorin, die erfolgreiche Unterhaltungsromane schreibt. Neben dem Schreiben sind das Theater, ihre Vierbeiner und England ihre großen Leidenschaften. Über Mascha Kaléko hat sie bereits ein Theaterstück verfasst. Dazu ein Zitat aus dem Nachwort des Buchs: Dass ich die Rolle der Mascha Kaléko viele Male auf der Bühne verkörpern durfte, ist für mich eine besondere Ehre. Ihre Gedichte begleiten mich seitdem und ich habe mich mit ihr und ihrem Leben all die Jahre intensiv auseinandergesetzt.“ (Seite 361)

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    Frauke Buchholz: Blutrodeo. Kriminalroman. Der zweite Fall für Ted Garner, Bielefeld 2022, Pendragon Verlag, ISBN: 978-3-86532-810-6, Klappenbroschur, 264 Seiten, Format: 13,4 x 2,4 x 20,4 cm, Buch: EUR 18,–, Kindle: EUR 15,99.


    Alberta, Kanada: Es ist nicht gerade Ted Garners größtes Talent, seine Mitmenschen für sich einzunehmen. Der Profiler (42) vom Regina Police Department in Saskatchewan hat mal Philosophie studiert und geht seither gern den Leuten mit Zitaten von Arthur Schopenhauer auf den Keks. Jetzt führt ihn ein Fall ins 760 km entfernte Calgary. Die Kollegin, die er unterstützen soll, Chief Superintendent Samantha „Sam“ Stern (32) ist mit ihrem Urteil über ihn schnell fertig: „Arrogantes Ar***l*ch!“ Ted wiederum hält Sam für eine zickige Emanze. Der Beginn einer wunderbaren Zusammenarbeit sieht anders aus.


    Mysteriöse Morde an Senioren

    Es hilft nichts, die zwei müssen da durch. Je schneller sie die mysteriöse Mordserie an Männern um die 80 aufklären, desto schneller kann jeder wieder seiner eigenen Wege ziehen. Jetzt sind es schon drei Todesopfer. An jedem achten eines Monats findet man einen Senior mit durchschnittener Kehle. Da muss es einen Zusammenhang geben! Das kann kein Zufall sein.


    Es gibt einfach nichts, was alle drei miteinander verbindet.


    Der Profiler und sein alter Herr

    Die Ermittlungen werden wohl länger dauern als erhofft. B l ö d nur, dass hier gerade das größte Rodeo der Welt stattfindet, die Calgary Stampede, und Ted nirgendwo ein Hotelzimmer bekommt. Er hasst es, bei jemand Fremdem zu übernachten, also schlägt er das Angebot eines Kollegen aus und quartiert sich bei seinem Vater, Colonel Robert Garner, ein, der 20 km außerhalb von Canmore ein abgelegenes Haus im Bow Valley hat. Das scheint im Moment das kleinste Übel zu sein.


    Das Vater-Sohn-Verhältnis ist problematisch. Der Colonel verübelt seinem Sohn alles, selbst dessen Existenz.


    Racheakt nach 6 Jahrzehnten?

    Während Ted sich mit familiären Schwierigkeiten und unliebsamen Erinnerungen herumschlägt und Sam(antha) Stern mit gesundheitlichen Problemen und einer schweren Entscheidung zu kämpfen hat, erfahren wir Leser:innen in verschiedenen Rückblicken, dass die Mordserie möglicherweise etwas mit Militäreinsätzen in Vietnam zu tun haben könnte.


    Ted und Sam ahnen von unserer Vietnam-Theorie noch nichts. Sie plagen sich mit ahnungslosen Angehörigen der Opfer und aalglatten Firmenanwälten herum.


    Was weiß Colonel Garner?

    Den Leser beschleicht irgendwann der Verdacht, dass Ted Garners Vater, der alte Colonel, etwas über den Fall wissen könnte. Er muss mindestens einen der ermordeten Männer gekannt haben. Weil er aber generell nicht viel redet und zudem kein Interesse daran hat, seinem Sohn zu helfen, behält er sein Wissen und seine Vermutungen für sich. Vielleicht käme er auch selbst nicht gut bei der Geschichte weg, die er zu erzählen hätte. Man weiß es nicht. Sein Schweigen erweist sich jedoch bald als großer Fehler …


    Der erste Ted-Garner-Band, FROSTMOND, in dem es um eine Mordserie an indigenen Frauen geht, hat mir besser gefallen als dieser, gerade weil man dort so viel über das Leben und die Probleme der First Nations erfahren hat. Die First Nations spielen im vorliegenden Band nur eine kleine Nebenrolle. Vielleicht wollte sich die Autorin Diskussionen über kulturelle Aneignung ersparen, also darüber, ob eine weiße Frau aus Deutschland überhaupt einen Roman über Personen aus Kanadas indigenen Völkern schreiben „darf“. BLUTRODEO könnte, mit kleinen Änderungen, auch in anderen Ländern spielen.


    Spannend und sehr düster

    Der Krimi mit seinen Wendungen und falschen Fährten ist spannend und sehr düster. Jeder hat hier Probleme, ist von seiner Vergangenheit traumatisiert und von Haus aus schlecht drauf. Die Romanfiguren hassen alles. Da musste ich dann schon grinsen: Egal, was gerade beschrieben oder auch nur erwähnt wird, ob Rodeos, Cowboys, Kollegen, Psychologen, private Übernachtungen, Zoos, Angeber, Mitfahrgelegenheiten … als nächster Satz folgt unweigerlich „Er/sie hasste Rodeos/Cowboys/Kollegen/Psychologen …“ 😊 Hier ist alles negativ. Die einzige Person mit einer positiven Ausstrahlung, eine engagierte Umweltaktivistin, hat ein todkrankes Kind.


    Findet irgendein Mensch in diesem Roman irgendwas so richtig klasse? Okay: Polizistin Sam ist eine passionierte Reiterin und liebt ihr Pferd. Immerhin! Lasst euch übrigens nicht von Leuten, die das Buch offenbar nicht gelesen haben, einreden, Samantha Stern sei eine Frau aus den First Nations. Ist sie nicht! Ihre Familie lebt in Tel Aviv und sie selbst war beim israelischen Militär.


    Dramatischer Showdown

    Sam ist ganz schön hart im Nehmen und reagiert ausgesprochen ungnädig, als sie annehmen muss, dass Ted Garner sie ausbooten und die Lorbeeren für die Klärung der Seniorenmorde allein einheimsen will. Sie handelt zwar aus den falschen Gründen, aber sie handelt. Und so kommt’s zu einem hochdramatischen Showdown …


    In einem Interview mit den Journalisten Ulrich Noller sagte die Autorin: „Jenseits der Handlungsebene spielt für mich die Sprache eine ganz entscheidende Rolle. Literarische Krimis wie die der schwedischen Autorin Kerstin Ekman brillieren durch einen lyrischen Stil und genial psychologisierte Landschaftsbeschreibungen, die dann ihre eigene dunkle Magie entfalten. Das ist für mich die ganz große Kunst.“


    Nun kenne ich die Krimis von Kerstin Ekman nicht und kann nicht beurteilen, ob man Buchholz‘ Bücher mit denen Ekmans vergleichen kann, aber die bildhafte Sprache hier ist schon etwas Besonderes. Ganz so skandinavisch-düster müsste ein Krimi für meinen Geschmack aber nicht sein. Auch wenn man als Polizeibeamter ständig in menschliche Abgründe blickt, ist es doch deprimierend, wenn der einzige positive Moment auf 264 Seiten der ist, in dem eine Polizistin vor Dienstantritt kurz nach ihrem Pferd sieht.


    Die Autorin

    Frauke Buchholz wurde 1960 in der Nähe von Düsseldorf geboren. Sie studierte Anglistik und Romanistik und promovierte über zeitgenössische indianische Literatur. Sie liebt das Reisen und fremde Kulturen, hat viele Indianerreservate in Kanada und den USA besucht und einige Zeit in einem Cree-Reservat in Alberta verbracht. Ihre Erfahrungen spiegeln sich in ihren Romanen wider - in ihrem Debüt »Frostmond«, der 2021 mit dem Harzer Hammer und 2022 mit dem Stuttgarter Debütpreis ausgezeichnet wurde, sowie in dessen Nachfolger »Blutrodeo«.

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    Barbara Laban: Mitternachtskatzen, Band 2, Die Hüter des Smaragdsterns (ab 9 J.), Ravensburg 2022, Ravensburger Verlag, ISBN 978-3-473-40864-1, Hardcover, 375 Seiten, mit s/w Illustrationen von Jérôme Pélissier, Format: 15,3 x 3,4 x 21,5 cm, Buch: EUR 14,99 (D), EUR 15,50 (A), Kindle: EUR 11,99.


    Dies ist der zweite Band rund um die Jugendlichen, die im Tower von London zu „Felidix“ – Katzenbeschützern – ausgebildet werden. Die Schüler:innen haben die Gabe, die Sprache der Katzen zu verstehen und sich mit ihnen genauso verständigen zu können wie mit Menschen.


    Seit Generationen herrscht Frieden zwischen den Katzenkönigreichen England, Schottland, Irland und Wales, und das soll auch bitte so bleiben. Doch Katzenkönig Fergus Finnegan von Schottland sieht das anders. Er wäre gerne Herrscher über die gesamten britischen Inseln.


    Ein machtgieriger Katzenkönig

    Katzenkönigin Quinn ist sich der Gefahr sehr wohl bewusst. Nach den Ereignissen in Band 1 verstärkt sie jetzt erst einmal die Sicherheitsmaßnahmen bei Hofe. Sie will die Anzahl ihrer Leibwächter, der „Mitternachtskatzen“, verdoppeln. Die Tradition verlangt dafür ein aufwändiges Auswahlverfahren.


    Wer wird Mitternachtskatze?

    Auch Katzen, die im Felidix-Internat wohnen sowie ein paar ihrer Freunde bewerben sich für den Posten als Mitternachtskatze. Und Kater Edison ist sauer, weil seine Freundin, Siamkatze Zia, ihre Bewerbung abgegeben hat, ohne sich zuvor mit ihm abgesprochen zu haben. Er hatte ganz andere Zukunftspläne mit ihr.



    Der Smaragdstern ist weg!

    Und dann verschwindet auch noch ein Artefakt von hohem materiellen und symbolischen Wert: Der Smaragdstern, ein magischer Edelstein, der den Frieden zwischen den vier Katzenkönigreichen sichern soll und keinesfalls in falsche Hände fallen darf. Dieser Edelstein lässt sich nur von wenigen ausgewählten Katzen und Menschen ungestraft anfassen. Unbefugte, die es probieren, können was erleben!


    Wie kann so etwas Wertvolles verlorengehen? Nun, vor Jahren hatte der magische Smaragdstern einen Menschen zu seinem „Hüter“ bestimmt – und dieser Mensch ist spurlos verschwunden. Zum Glück gab es einen Stellvertreter, aber der ist so verpeilt und unorganisiert, dass er den Stein schlicht und edel verschlampt hat.


    Dieses Malheur bleibt nicht lange geheim. Plötzlich tauchen Abgesandte aus Irland und Schottland im Tower und im Palast der Katzenkönigin auf und schnüffeln überall herum. Felidix-Schüler Nova und Henry – zwei Menschenkinder – ahnen zwar, dass irgendwas im Busch ist, aber weil Schulleiter Horatio nicht mit der Sprache herausrückt, wissen sie nicht, wonach die Iren und Schotten so fieberhaft suchen – und was das für die Katzen des Landes schlimmstenfalls bedeuten könnte.


    Katzenkinder in Gefahr?

    Eine geheimnisvolle Frau verschickt Warnungen. Könnte das Novas lange verschollene Mutter sein? Und warum meint sie, dass die zwei Findelkätzchen Rick und Ruby in Gefahr seien? Die wissen doch von nichts und sind noch so klein, dass sie nicht einmal verständlich sprechen können! Was könnte jemand von diesen Kitten wollen?



    Spannung, Action, Fantasie

    Die Geschichte ist temporeich, spannend, fantasievoll und stellenweise witzig. (Der tollpatschige Pablo! Der chaotische Schulleiter! Die Katzenkinder!) Am liebsten würde man selbst auf dieses Felidix-Internat gehen. Nur der Katzenmusik-Unterricht klingt nicht sehr verlockend. 😊


    Die meisten Handlungsstränge sind am Ende des Buchs abgeschlossen, die Fragen geklärt. Doch ein paar Punkte bleiben offen für einen Folgeband – oder mehrere:

    • Wie kann man die Katzenkönigreiche dazu bringen, wieder in Frieden miteinander zu leben?
    • Wird Novas Familie irgendwann wieder glücklich vereint sein? Ihre Mutter muss ja immer irgendwo die Welt retten und ihr Vater sitzt entweder im Knast oder ist gerade ausgebrochen und auf der Flucht vor der Polizei.
    • Wird es der Familie je gelingen, seine Unschuld zu beweisen?
    • Und wird man diejenigen zur Verantwortung ziehen, die ihm, warum auch immer, ein Verbrechen angehängt haben, das er nicht begangen hat?


    Aufwändige Ausstattung

    Ich mag die menschlichen Heldinnen und Helden, die zwar Superkräfte haben aber nicht allzu perfekt sind. Auch die verschiedenen Katzenpersönlichkeiten wachsen einem schnell ans Herz. Und was sind die zwei quirligen Kitten niedlich! Die Illustrationen von Jérôme Pélissier geben das sehr schön wieder. Überhaupt ist die Ausstattung des Buchs äußerst attraktiv und aufwändig: Ein Cover mit goldfarbener Prägung, ein Schmuckrahmen auf jeder Seite, eine Katzenvignette zu jedem Kapitel-Einstieg und natürlich die kunstvollen ganzseitigen Illustrationen!






    Abb.: (c) Ravensburger Verlag, Foto: E. Nebel


    Viele Figuren

    Im Anhang gibt es sogar ein bebildertes Personenverzeichnis, aber nur für die Katzen. Die Menschen muss man sich selbst merken. 😊 Und da bin ich manchmal an meine Grenzen gestoßen. Es sind schon sehr viele Namen, die man in Schach halten muss. Bei manchen Szenen dachte ich: „Der macht WAS?!“ – Bis mir dämmerte: Ach so, das ist ja ein Mensch und keine Katze (oder umgekehrt), für den ist das völlig normal. Das kann schon ein bisschen verwirren. Aber egal: Die Reihe ist einfallsreich, packend und für junge Katzenfreund:innen beste Unterhaltung.


    Jetzt möchte selbst ich als erwachsene Leserin wissen, wie wieder Frieden in das Land kommt – und wie die Sache mit Novas Eltern ausgeht. Das heißt: Den nächsten Band werde ich auf jeden Fall auch lesen.


    Die Autorin

    Barbara Laban studierte Sinologie und Japanologie in München, London und Taipei. Nach dem Studium arbeitete sie als Übersetzerin, Therapeutin für chinesische Medizin und Studienleiterin in München und Amsterdam. Ihr Kinderbuchdebüt „Im Zeichen des Mondfests“ wurde 2012 mit dem Goldenen Pick ausgezeichnet. Seitdem schreibt sie auf Deutsch und Englisch Bücher für Kinder und Jugendliche. Barbara Laban lebt seit über zehn Jahren mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in London.


    Der Illustrator

    Jérôme Pélissier hatte schon als Absolvent der Kunsthochschule École Estienne in Paris regelmäßig Besuch von Katzen, denn es gilt unter ihnen als große Ehre, von ihm gezeichnet zu werden. Mittlerweile lebt der Illustrator mit seiner Familie in einem der schönsten Dörfer Frankreichs in der Bretagne.

    Das mit ISBN/ASIN funktioniert hier irgendwie nicht. Dann also so:



    Ich bin Sauer: Vorlesegeschichten für Vorschulkinder
    Zitronenfalter Sauer stellt euch seine Freunde vor, die alle ziemlich beschäftigt sind. Der Feldhase sucht vergeblich nach einer Frau, weil es ja kaum noch…
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    Angelika Godau (Text), Axel Aldenhoven (Illustrationen): Ich bin Sauer, (4 – 6 J.), Vorlesegeschichten für Vorschulkinder, Zweibrücken 2022, Independently published, Softcover, 156 Seiten, mit farbigen Illustrationen und Fotos, Format: 15,24 x 0,97 x 22,86 cm, Softcover: EUR 12,95, Hardcover: EUR 21,00, Kindle: EUR 6,95.


    Sauer? Wieso ist der Zitronenfalter sauer? Und wieso schreibt man „Sauer“ hier groß? Ach so: Er ist gar nicht schlecht gelaunt! „Sauer“ ist sein (Spitz-)Name! Dabei ist er alles andere als ein grantiger Miesepeter. Er ist freundlich und hilfsbereit, wissbegierig und mitteilsam. Seine Erlebnisse in der freien Natur teilt er gerne mit seinem jungen Publikum, und das macht er ebenso anschaulich wie unterhaltsam.


    Ein Falter erzählt Geschichten

    Im Geiste sieht man ihn sitzen, umringt von gespannt staunenden Kindern, ganz wie ein klassischer Märchenerzähler. Der Stil der tierischen Kurzgeschichten in diesem Buch ist stark von der mündlichen Erzählweise geprägt. Sauer spricht sein Publikum direkt an, stellt ihm Fragen, lobt es, wenn es die richtigen Antworten weiß – und verliert durch diese Interaktion ab und zu den Faden. „Mensch, was wollte ich eigentlich erzählen? Ach so, ja …!“ Und dann kommt er wieder in die Spur.


    Wenn er komplizierte Wörter verwenden muss, weil das, wovon er gerade erzählt, nun mal so heißt, erklärt er den Kindern den Begriff und übt ihn mit ihnen. („Me-ta-mor-pho-se“, „Instinkt“ – nein, der stinkt nicht! – „Mimikry“ und anderes mehr.) Er wird wohl nicht erwarten, dass sie sich das merken, aber er möchte ihnen die richtigen Begriffe auch nicht vorenthalten.


    Neugierig und mitteilsam

    Sauer, der neugierige Zitronenfalter, will alles wissen, mit allen befreundet sein und jedem helfen, der gerade ein Problem hat. Wer Freund und wer Feind ist, merkt er oft recht spät. Ja, die kleinen Vögelchen im Amselnest sind niedlich, aber er kann sich nicht mit ihnen verständigen. „Amselisch“ spricht er leider nicht. Wollen die Küken ihn mit ihrem Gepiepse vorm Anflug ihrer Eltern warnen oder sind sie darauf aus, ihn zu fressen? –

    Sauer will allen helfen

    Gefährlich wird ihm die traurige kleine Hummel zwar nicht, aber sie wird ziemlich pampig, als er sie mitfühlend anspricht. Ihr Problem? Sie wird gemobbt, weil sie keine Wespentaille hat. Warum sollte sie auch? Sie ist eine Hummel, und die haben eine Hummel-Figur. :D Sauer versichert ihr, dass sie so, wie sie ist, goldrichtig ist. Ob sie’s kapiert?



    Übrigens: Wenn man Kindern die Geschichte von den einsamen Feldhasen vorlesen will, sollte man vorher ein bisschen üben. Die haben nämlich eine besondere Art zu sprechen!


    Maulwurfs haben Ehekrach

    Meine Lieblingsgeschichte ist ja die von Maulwurf Buddel. Der hat sich zu weit auf die Wiese hinausgewagt und behauptet nun übellaunig, jemand habe sein Loch versteckt. Es dauert eine Weile, bis Sauer versteht, was los ist: Buddel findet den Eingang zu seinem unterirdischen Bau nicht mehr, weil er schlecht sieht.


    Was sich der hilfsbereite Sauer von dem unleidlichen Wühler alles anhören muss, ist nichts im Vergleich zu dem, was Frau Maulwurf vom Stapel lässt, als sie mit ihrem verschollenen Gatten endlich wieder vereint ist. Ehekrach bei Maulwurfs! Das amüsiert die erwachsenen Vorleser:innen vermutlich mehr als die Kinder. Aber die sollen ja auch ihr Vergnügen haben, nicht wahr?



    Unterhaltung mit Lerneffekt

    Für sehr kleine Kinder ist Sauers sprunghafte Erzählweise vielleicht noch ein bisschen zu komplex. Wer aber schon versteht, dass Sauer so erzählt, weil er ein bisschen zerstreut ist, hat ordentlich was zu lachen. Ein paar Sachinformationen über das Leben der Tiere bleiben sicher auch noch hängen. Die Tiere werden zwar für die Geschichten ziemlich vermenschlicht, aber die harten Fakten stimmen. Und so hat man neben witziger Unterhaltung auch noch einen kleinen Lerneffekt.


    Fantasievolle Illustrationen

    Die Illustrationen sind fantasievoll und farbenfroh. Manche wären mir als Kind zu surreal und rätselhaft gewesen. Das hätte mich beschäftigt: Haben die Raupen auf Seite 6 nur ein Auge? Was ist das für ein Viech im Superman-Kostüm auf Seite 88? Sauer? Warum hat er dann keine Flügel und ist orange? – Den Regenwurm auf dem Fahrrad auf Seite 128 finde ich regelrecht verstörend – eine Albtraum-Kreatur! So toll die kreativen Illustrationen für Erwachsene aussehen: Kriegen die Kids davon keine schlimmen Träume? Aber wahrscheinlich ist die medienerfahrene Jugend von heute deutlich härter im Nehmen als wir damals.


    Die niedlichen Tiere in dem Buch sind mir jedenfalls lieber. Sogar die Spinne wirkt nett. Die tat mir in ihrer Geschichte richtig leid. Aber so ist das eben in der Natur.


    Wie immer bei Kinderbüchern müssen auch hier die Erwachsenen entscheiden, ob die Kinder, denen sie das Buch in die Hand geben oder vorlesen möchten, die Geschichten schon verstehen können. Und ob sie die Bilder mögen werden oder sich davor fürchten könnten. Ich kann hier nur, so gut es geht, beschreiben, was das Buch beinhaltet.






    Abb. (c) Godau / Aldenhofen, Foto: E. Nebel


    Die Autorin

    Angelika Godau, geboren in Oberbayern, war erst Journalistin, studierte dann Psychologie und hatte eine eigene Praxis in Mannheim. Ein fast 10-jähriger Aufenthalt in der Türkei sensibilisierte sie für das Elend von Hund und Katze. Seitdem ist sie im Tierschutz engagiert. Heute lebt sie mit ihrem Mann und ihren Haustieren in Zweibrücken.


    Der Illustrator

    Axel Aldenhoven wurde in Wittmund (Ostfriesland) geboren. Heute lebt er in Köln, schreibt dort Science Fiction, Liebesromane, Gedichte und Thriller. Als ehemaliger Informatiker hat er großes Interesse an neuen Technologien. Einen großen Teil der Bilder dieses Buches hat er mit Hilfe von midjourney erstellt und teilweise nachbearbeitet.

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    Michael Bremmer, Veronika Grüning: Gangs of Katzenstadt. Roman. München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-22035-1, Softcover, 283 Seiten mit s/w-Illustrationen von Veronika Grüning, Format: 11,9 x 1,9 x 18,6 cm, Buch: EUR 11,95 (D), EUR 12,30 (A), Kindle: EUR 9,99.


    Der Reverend blickte nachdenklich zu den anderen Katzen. „Sie wollen, dass in Katzenstadt keine Katze mehr frei herumläuft“, sagte er. […]
    „Wir müssen diese Leute aufhalten. Um jeden Preis“, sagte Banks.
    „Banks hat recht, stimmte Bandini zu. „Aber dafür brauchen wir einen ausgefeilten Plan. Und jede Menge Glück.“
    „Wir müssen jetzt sehr wachsam sein“, sagte der Reverend ernst.

    (Seite 193)


    Im Mittelalter haben die Fürsten von Fur ein Städtchen gegründet, dessen Umrisse einem Katzenkopf ähnelt. Kein Wunder, dass die Gemeinde irgendwann von „Fur“ in „Katzenstadt“ umbenannt wurde. Dass sich dort in jüngerer Vergangenheit eine Katzenfutterfabrik angesiedelt hat, hat perfekt gepasst und der Gemeinde ordentlich Geld in die Kasse gespült.


    Von Katzenstadt zur Geisterstadt

    Heute gleicht die Katzenstadt einer Geisterstadt. Der Inhaber der Katzenfutterfabrik ist unter mysteriösen Umständen zu Tode gekommen, die Firma ist geschlossen, und die Medien haben die Katzen des Ortes zu „Killer-Katzen“ hochstilisiert. Der Großteil der menschlichen Bewohner ist danach Hals über Kopf weggezogen. Jetzt leben nur noch wenige Zweibeiner hier, wie zum Beispiel die Tierärztin, der Bürgermeister, der Bankdirektor und sein Sohn – ein Fotograf – und „der Glatzkopf“, der vor kurzem mit seinen drei Hunden in das alte Jagdhaus am Stadtrand gezogen ist.


    Zurückgeblieben sind rund 30 Katzen, vor denen sich ihre Menschen nach dem Medienrummel so sehr gefürchtet haben, dass sie sie nicht in ihr neues Zuhause mitnehmen wollten. Nun leben die Tiere eben alleine: Bandinis Fabrik-Gang, die Katzen vom Schlosspark, die Outcasts auf der Müllhalde, die Bildungsbeflissenen in der verlassenen Bibliothek und noch ein paar kleinere Gruppierungen und Einzelkämpfer:innen.


    Katzen verschwinden!

    Es läuft alles ganz wunderbar, auch ohne Menschen – bis auf einmal Katzen verschwinden und tot oder verstümmelt wiedergefunden werden. Fremde Menschen kommen in die Stadt und versuchen mit brutalen Mitteln, die Katzen von ihren angestammten Plätzen zu vertreiben.



    Was geht hier vor?

    Was geht hier vor? Wer steckt dahinter? Dieselben Leute, die damals beim Tod des Katzenfutterfabrikanten die Tiere in Verruf gebracht haben? Wenn ja, warum?


    Hilfe kommt von gänzlich unerwarteter Seite …


    Nichts für Kinder

    Es hat eine Weile gedauert, bis ich mit dem Buch warm geworden bin. Vom Thema her dachte ich zunächst, es sei ein Jugendbuch. Doch dafür ist es zu grausam. Abgehackte Pfoten, anderweitig malträtierte Tiere, die morbid-makaberen Fantasien von Kater Harold … das ist eindeutig nichts für Kinder. Die würden auch die (pop-)kulturellen Anspielungen nicht verstehen. Das Buch richtet sich an erwachsene Leser. Es ist ein Mix aus schwarzhumoriger Tier-Fantasy und brutalem Krimi.


    Die Zwischenüberschriften!

    Als nervig empfand ich, dass es das ganze Buch hindurch alle 15 bis 20 Zeilen eine Zwischenüberschrift gibt, so als bestünde das Buch aus einer Abfolge von vielen gleich wichtigen Pressemeldungen. In Verbindung mit den kurzen Sätzen wird das Lesen damit zu einem hektischen Stakkato. Mit der Zeit habe ich gelernt, die Zwischenüberschriften zu ignorieren. Und je mehr Tempo und Spannung in die Geschichte kam, desto besser passte diese atemlose Erzählweise.


    Das Ende der Geschichte ist nur ein vorläufiges. Noch ist der Fall nicht abschließend geklärt. Es wird also mindestens einen Folgeband geben. Ob ich da nochmals mit von der Partie bin, kann ich noch nicht sagen. Die Tierpersönlichkeiten in dem Band sind klasse, wenn es auch ein bisschen viele sind. Aber da ist das „Personen“-Verzeichnis am Ende des Buchs eine große Hilfe!


    Tolle Helden. Aber die Story?

    Ich weiß nur nicht so recht, was ich von der Story halten soll. Die ist so angelegt, dass man die Hunde und die meisten der Menschen hassen soll. Aber so, wie die Hunde behandelt werden, tun sie den Leser:innen eher leid. Und selbst der Drahtzieher, der hier in einer Tour Böses tut, hat eine tragische Vorgeschichte (na ja, eine tragisch-komische!) und man kann seine Beweggründe nachvollziehen. Nicht gutheißen, aber verstehen. Statt des erwachsenen M i s t k e r l s sah ich immer nur das misshandelte Kind.


    Alles in allem bin ich nicht restlos überzeugt von dem Buch. Ich mag die tierischen Held:innen aber nicht so sehr die Story und die Erzählweise.


    Der Autor und die Illustratorin

    Veronika Grüning, geb. 1975, ist Holzbildhauerin und Grafikdesignerin.

    Michael Bremmer, geb. 1968, arbeitet als Redakteur bei der ›Süddeutschen Zeitung‹. 1996 erschien sein Kinderbuch ›Henriette Findelschwein‹. Die beiden leben mit ihren Katzen namens Bandini und Bonnie in München.

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    Joan Weng: Die rote Tänzerin. Die Nacht ist ihre Bühne, ihre Kunst unbezähmbar. Roman, Berlin 2022, Aufbau Verlage, ISBN 978-3-7466-3832-4, Softcover, 253 Seiten, Format: 11,6 x 2,7 x 18,8 cm, Buch: EUR 12,00 (D), EUR 12,40 (A), Kindle: EUR 8,99.


    „Anita, die immer so viel Wert darauf gelegt hatte, dass sie keine simple Nackttänzerin, sondern eine Künstlerin ohne Kleider war. Anita, die mit solcher Wucht gegen alles Verknöcherte, Biedere, Brave angetanzt hatte. […] Und nun sollte sie plötzlich Anita Berber, die orientalische Tänzerin sein – weil die Rechnungen gezahlt werden mussten? Wann hatte Anita sich je um Geld geschert?“ (Seite 196)


    Berlin 1925: Tänzerin und Schauspielerin Anita Berber, 26, ist in dritter Ehe mit dem US-amerikanischen Tänzer Henri Châtin Hofmann verheiratet und hat beruflich schon bessere Tage gesehen. Gesundheitlich auch. Die jahrelange Drogensucht fordert ihren Tribut. So wacht sie zum Beispiel eines Morgens auf und erkennt ihren eigenen Mann nicht. Wenn sie ihre Freundin und Managerin Susi Wanowski nicht hätte, wäre sie schon längst am Ende.


    Susi vermittelt ihr den Kontakt zum Agenten Benjamin Morgenstern, der ihr vorschlägt, mit orientalischen Tänzen aufzutreten. Anita ist nicht begeistert. Sie fühlt sich gekränkt. Für sie besteht ein himmelweiter Unterschied zwischen ihrer Kunst, die einen unbekleideten Auftritt erfordert und ordinärem Nackttanz. Und das, was Morgenstern ihr anbietet, fällt in die zweite Kategorie.


    Skandalöse Auftritte


    Doch zunächst einmal steht ein Termin mit dem Maler Otto Dix an. Auch das hat Susi Wanowski eingefädelt. Dix will die Berber porträtieren. Sie trifft sich mit ihm und ist höchst überrascht, dass er sie in bürgerlicher Aufmachung und ohne das starke Bühnen-Make-up gar nicht erkennt. Er hat sie für eine junge Dame aus gutem Haus gehalten. Aber das ist sie doch auch! Sie ist die Tochter des Violinvirtuosen Professor Felix Berber und der Kabarettistin und Chansonsängerin Lucie Berber. Sie hat in Dresden die höhere Töchterschule besucht und war einige Monate im Internat eines Töchterbildungsinstituts in Weimar. Auch wenn sie sich manchmal vulgär gibt: Aus der Gosse stammt sie nicht.


    Der Traum vom kleinen Glück

    Anita wundert sich, dass Dix sich über sie wundert. Für sie ist „die Berber“ nur eine Rolle. Sie ist Anita, eine ganz normale, lebenslustige Frau.


    Dix‘ Gattin Martha, eine sehr kluge, gebildete und pragmatische Frau, findet Anita Berber auch erstaunlich sympathisch und umgänglich. Sie hat kein Problem damit, die beiden drei Tage lang allein zu lassen. So lange soll Anita dem Künstler Modell stehen.


    Anita und Dix: Seelenverwandte

    Dix jedoch langweilt sich inzwischen mit Frau und Kind, obwohl ihn klar ist, dass er mit der loyalen und vermögenden Martha das große Los gezogen hat. In der Berber glaubt er, eine verwandte Seele zu erkennen, einen getriebenen Menschen, der, genau wie er, nur für die Kunst lebt und mit „normalen“ Maßstäben nicht zu messen ist. Auch er fühlt sich von seinem Umfeld missverstanden. Er will nicht nur als Antikriegsmaler wahrgenommen werden. Er hat so viel mehr zu sagen und eine große stilistische Vielfalt zu bieten!


    Anita spürt diese Verbundenheit ebenfalls. „Sie war die Inflationsprinzessin, und die Inflation war vorbei, jetzt war sie wertlos wie ein Hundertrausendmarkschein. Vielleicht verstand Otto all dies, auch ohne dass sie es erklärte?“ (Seite 206)


    Zukunft?

    Auch wenn Otto und Anita sich zueinander hingezogen fühlen und vieles gemeinsam haben – hätten sie denn zusammen eine Zukunft?


    Die Autorin nimmt sich, vor allem bei den Nebenfiguren, ein paar dichterische Freiheiten, um uns eine Vorstellung davon zu geben, wie Anita Berber gewesen sein könnte. Was Dichtung und was Wahrheit ist, erklärt sie uns im Anhang. Für mich, die ich nur ein paar dürre Fakten über das Leben von Anita Berber kannte, liest sich die Geschichte plausibel. Und wer, nachdem er diesen Roman gelesen hat, mehr über die Protagonistin wissen möchte, kann gern den Literaturempfehlungen folgen, die die Autorin im Buch gibt.


    Was wirklich geschah …

    Was in den drei Tagen des Modellsitzens zwischen der Tänzerin und dem Maler vorgefallen oder nicht vorgefallen ist, weiß man nicht. Das Porträt „Bildnis der Tänzerin Anita Berber“ gibt’s aber wirklich. Es hängt in Stuttgart im Kunstmuseum. Vielleicht verlief die Sitzung wirklich so ähnlich wie Joan Weng es in diesem Roman beschreibt. Martha Dix, Ottos Frau, wird schon einen Grund gehabt haben, sich danach so spitz über die Berber zu äußern, wie es überliefert ist.


    Überhaupt: Martha Dix! Sie spielt hier nur eine Nebenrolle, ist aber eine überaus interessante Frau mit einer für die damalige Zeit außergewöhnlichen Lebensgeschichte. Das gilt auch für die Galeristin Johanna Ey, ebenfalls eine historische Person. Schon verschwindet man als Leser:in im Kaninchenbau des Internets und sucht nach Informationen über die Eheleute Dix und „Mutter Ey“. Und, zack, ist man wieder ein bisschen schlauer geworden und verdankt das diesem unterhaltsamen und berührenden Roman.


    Erstkontakt

    Für mich sind Romane über berühmte Persönlichkeiten immer so eine Art „Erstkontakt“ oder „Appetithappen“. Wenn ich dann finde, dass sich eine nähere Beschäftigung mit diesem Menschen lohnen könnte, mache ich mich auf die Suche nach weiterführenden Fakten. Von einem Roman erwarte ich gar nicht, dass er mir schon allumfassende Informationen liefert. Das ist nicht sein Job. Ein Roman soll uns unterhalten, vielleicht ein bisschen Stoff zum Nachdenken bieten und – im Fall dieses Genres – auf die reale Person neugierig machen. Das alles kriegt Joan Wengs DIE ROTE TÄNZERIN wunderbar hin.


    Sollte die Autorin je auf die Idee kommen, ihre umfangreichen Recherchen für diesen Roman dazu zu nutzen, ein Sachbuch über Anita Berber zu schreiben: Ich würd’s gerne lesen!


    Die Autorin

    Joan Weng, geboren 1984, studierte Germanistik und Geschichte und promoviert über die Literatur der Weimarer Republik. Im Aufbau Taschenbuch sind die Romane „Amalientöchter“, „Das Café unter den Linden“, „Die Frauen vom Savignyplatz“ und "Die Damen vom Pariser Platz" sowie die Kriminalromane „Feine Leute“ und „Noble Gesellschaft“ lieferbar. Mehr zur Autorin auf www.joanweng.de

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    Catrin Ponciano: Rache im Alentejo. Kriminalroman, Köln 2022, Emons Verlag, ISBN 978-3-7408-1574-5, Softcover, 255 Seiten, Format: 13,7 x 2,5 x 20,2 cm, EUR 13,00 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99.


    Zwei Jahre ist es her, dass die Inspetora Chefe (Kriminalhauptkommissarin) Dora Monteira, Anfang 40, ihren Dienst bei der Kripo in Lissabon quittiert hat. Seitdem verdient sie ihre Brötchen als Künstlerin. Sie war eine gute Polizistin, aber als eigensinnige kreolische Frau nicht systemkompatibel.


    Offenbar ist es ihr nicht vergönnt, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen. Aus heiterem Himmel bekommt sie einen Anruf von Tomas Maia, einem Freund aus Teenagertagen, den sie seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hat. Von einem Tag auf den anderen war er spurlos verschwunden und hat nie wieder von sich hören lassen. Bis eben.


    Jugendfreund unter Mordverdacht

    In Brasilien habe er gelebt, erzählt Tomas, und dort Meeresbiologie studiert. Vor ein paar Monaten ist seine Mutter gestorben, und seitdem ist er wieder in der alten Heimat: in Carrasqueira im Alentejo, dem armen Süden Portugals. Dort arbeitet er im Institut für Meeresforschung und engagiert sich für das Wasserschutzgebiet am Sado und der Costa Azul. Aber jetzt hat er ein fettes Problem, und deshalb ruft er Dora an: Er steht unter Mordverdacht. Das Opfer: Gustavo, der Sohn des örtlichen Großgrundbesitzers Americo Carvalho.


    Nun ist Tomas beileibe nicht der einzige Mensch, der mit dem einflussreichen Carvalho-Clan eine Rechnung offen hat. Aber das Opfer wurde just an der Korkeiche aufgeknüpft, an der man vor 30 Jahren Tomas‘ Vater, den Fischer Guilherme Maia, erhängt gefunden hat. Tomas hat sich nie der allgemeinen Auffassung angeschlossen, sein Vater habe Suizid begangen. Guilherme hatte sich mit den Carvalhos angelegt, und Tomas ist fest davon überzeugt, dass die ihn damals umgebracht haben. Und die örtliche Polizei hat’s vertuscht.


    Rache nach 30 Jahren?

    Dora hält das für denkbar. Doch als das geschehen ist, war Tomas noch ein Kind. Warum hätte er mit seiner Rache 30 Jahre warten sollen?


    Außer ihren Jugendfreunden Mario Ramalho und dessen Schwester Ana, die in Comporta eine Kneipe betreiben, scheint sich niemand über Doras Rückkehr zu freuen.


    Ein Mann mit Vergangenheit

    Einer immerhin ist hin und weg von Dora Monteiro. Aber der ist fremd in der Gegend und hat keine Ahnung von ihren Plänen und ihrer Vorgeschichte: Ricardo Mendes, der neue Gutsverwalter der Carvalhos.


    Eine Werbetafel für eine geplante Feriensiedlung bringt Dora ins Grübeln. Sie kennt die Gegend hier, und mit der abgebildeten Karte stimmt was nicht. Sie forscht nach stößt und auf ein Bauvorhaben, das nicht nur aus Naturschutzgründen problematisch ist. Wer profitiert von diesem Deal und wer zieht dabei die A****karte?


    Geht’s ums Geld?


    Als ältere Mitbürger zu Dora Vertrauen fassen und zu reden beginnen, bringt sie das auf eine Spur, die zurückführt in die Zeit der Nelkenrevolution von 1974. Was immer noch nicht klar ist: Wie Tomas in den Fall verwickelt ist. Der ist wieder mal spurlos verschwunden. Ist er aus der Untersuchungshaft getürmt und untergetaucht? Das ist eher unwahrscheinlich …


    Man muss den ersten Band LEISER TOD IN LISSABON nicht kennen, um der Handlung folgen zu können. Vielleicht fühlt man sich bei manchen Dialogen zwischen Dora und ihren Ex-Kolleg:innen ein wenig ausgeschlossen, aber man kommt bei der Geschichte gut mit.


    Kein 0815-Schauplatz

    Nun ist Portugal kein 0815-Schauplatz für einen Krimi. Wer die Gegend, in der der Kriminalroman spielt, nicht kennt und sich zunächst die jüngere Geschichte des Landes in Erinnerung rufen oder sich gar erst schlau machen muss, der ist erst einmal damit beschäftigt, sich zu orientieren. Wer ist das? Wo ist das? Was ist das für eine Region? Wie sieht es da aus? Welche Probleme haben die Menschen dort? Was war vor 50 Jahren und wie wirkt das bis heute nach?


    Das ist sehr interessant, weil man Dinge erfährt, die man bisher vielleicht gar nicht auf dem Schirm gehabt hat. Man läuft aber auch Gefahr, dezente Hinweise zu überlesen, während man all die Fakten sortiert. Nach knapp der Hälfte des Romans war ich hinreichend im Bilde und meine Krimileserinnen-Instinkte haben wieder funktioniert (z.B. beim Schicksal Vasco Carvalhos). Wer Gustavo Carvalho auf dem Gewissen hat, habe ich aber nicht vorzeitig herausbekommen. Na gut, wenn selbst gestandene Kriminalpolizisten eine Weile dafür gebraucht haben, ist das auch keine Schande. Wir Leser:innen bekommen auch nicht viel mehr Informationen als Dora und ihre Mitstreiter.


    Unangepasste Heldin

    Ich mag die unangepasste Heldin und fand die Handlung spannend und nachvollziehbar. Dass man ein bisschen mehr aufpassen muss, wenn ein Krimi auf unvertrautem Terrain spielt, ist für mich in Ordnung. Es brauchen nicht immer die Schauplätze zu sein, die man schon aus dem Effeff kennt. Abwechslung tut gut. Ich wäre auch bei einer weiteren Fortsetzung wieder dabei. Jetzt würde ich nämlich gerne wissen, wie das weitergeht mit Dora und Ricardo. Die werden sicher noch öfter in Kriminalfälle hineingezogen werden. Weil sie keine Polizisten sind, müssen sie bei ihren Aktivitäten auch nicht nach dem Buchstaben des Gesetzes handeln. Sie dürfen sich nur nicht erwischen lassen! – Als Tierfreundin interessiert mich selbstverständlich auch, was die „Rabeneltern“ machen. 😊


    Bei der räumlichen Orientierung hilft uns Leser:innen die doppelseitige Landkarte im Anhang. Und weil in dem Krimi immer gut gekocht und gut gegessen wird, gibt’s als besonderen Service noch ein paar Rezepte zum Nachkochen.


    Die Autorin

    Catrin Ponciano wagte in Portugal 1999 ein neues Leben. Die frühere Küchenchefin legte das Messer 2006 aus der Hand und nennt seither einen Stift ihr Werkzeug. Sie veröffentlicht Reiseliteratur, Essays und Kriminalromane sowie kulturjournalistische Artikel über ihre Wahlheimat. Als Schreibende begegnet sie Menschen, die ihr bereitwillig ihre Geschichten anvertrauen. Sie organisiert Tagestouren, Krimiwochenenden sowie Literaturreisen nach Maß und hält Vorträge über portugiesische Literatur. Sie lebt mit ihrem Mann in Portimão. Ihr Debüt »Leiser Tod in Lissabon« wurde mit dem Stuttgarter Kriminächte Debütpreis 2021 ausgezeichnet. www.catringeorge.com

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    Simone Dorra, Ingrid Zellner: Der Strom des Lebens. Band VII der Kashmir-Saga (Abschlussband), Hamburg 2022, Tredition, ISBN 978-3-347-62728-4, Softcover, 572 Seiten, Format: 17 x 3,9 x 24 cm, Buch: EUR 20,99, Kindle: EUR 5,99.


    „Sameera schloss die Augen ‚Der Fluss setzt seinen Weg zum Meer fort, ob das Rad der Mühle gebrochen ist oder nicht.‘ Sie waren alle zerbrochen worden, so wie das Mühlrad in den Zeilen von Khalil Gibran. Sie hatten allegelitten und getrauert, sie waren gestürzt und wieder aufgestanden und manche ihrer Liebsten hatten sie zurücklassen müssen, ohne sie jemals zu vergessen. Doch sie setzten ihren Weg fort, so unweigerlich wie der Fluss.“ (Seite 544)


    Lange habe ich mich nicht herangetraut an den siebten und letzten Band der Kashmir-Saga. Seit 2017 verfolge ich die Reihe und habe dabei die vier Hauptpersonen durch Jahrzehnte ihres Lebens begleitet. Rechnet man die Rückblicke mit, haben wir treuen Leserinnen Vikram Sandeep aus Kashmir und dessen eurasische Frau Sameera sowie deren enge Freunde Raja Sharma aus Maharashtra und dessen Jugendliebe Sita schon als blutjunge Männer und Frauen kennengelernt. Jetzt sind sie in ihren Siebzigern bzw. Achtzigern und haben ihr Lebenswerk in jüngere Hände gelegt.


    Helden im Ruhestand?

    Ihre Feinde aus ferner Vergangenheit dürften inzwischen gestorben und begraben sein oder doch zumindest des Kämpfens müde. Man muss nicht mehr ständig damit rechnen, dass irgendwelche rachedurstigen Gestalten aus dem Hinterhalt springen und dem ehemaligen Geheimdienstmann Vikram oder dem Ex-Knacki Raja für erlittenes oder eingebildetes Unrecht ans Leder wollen. Das klingt nach einem entspannten Ruhestand im Kreise der (Zieh-)Kinder, Enkel und Urenkel.


    Die Verantwortung für das Waisenhaus Dar-as-Salam, das Vikram Sandeep einst gegründet hat, um ein bisschen was von dem gut zu machen, was er in seiner aktiven Militärzeit angerichtet hat, trägt jetzt Yussuf Sadaq. Der kennt das Haus und dessen Philosophie, weil er selbst im Dar-as-Salam aufgewachsen ist. Wir erinnern uns: der Kleine, der immer die wildesten Streiche ausgeheckt hat.


    Raja Sharma lebt seit dem frühen Unfalltod seiner Frau Sita ebenfalls im Dar-as-Salam und hat seine turbulente Großfamilie in Shivapur/Maharashtra zurückgelassen. Der neue Heimleiter kann also auf das Wissen und die Erfahrung von gleich drei Dar-as-Salam-Veteran:innen zurückgreifen: Vikram, Sameera und Raja.


    Eine folgenreiche Dummheit

    Wäre Vikrams Sohn Mohan nicht als Vierzehnjähriger mit einem geklauten Auto erwischt worden, hätten die Sandeeps und die Sharmas wahrscheinlich nicht mehr viel mit Militär, Polizei, Politik und Terrorismus zu tun gehabt. Aber Major Veer Shinde von der indischen Armee paukt den Teenager heraus, und dessen Vater, der alte Haudegen, schuldet ihm nun was. Er muss den Major bei einer Geheimoperation unterstützen – was fatale Folgen hat. Es ist eben Kashmir – man kommt dort nicht zur Ruhe.



    Dramatische Rettungsaktion

    Haben wir in Band VI nicht alle gedacht, dass die filmreife Romanze zwischen Heimbewohnerin Firouze und ihrem Aftab zu schön ist um wahr zu sein? Nun … wir hatten recht!

    Nein, Vikram und seine Freunde sind keine Engel, auch wenn sie für die Waisenkinder Kashmirs viel Gutes tun.


    Veränderungen


    Mohan Sandeep, inzwischen erwachsen und Jura-Student, lässt sich solche Kindereien nicht bieten


    Kleine und große Dramen

    So gibt es viele kleine und große Dramen rund um die Bewohner und Freunde des Dar-as-Salam. Von ein paar unserer liebgewonnenen Romanhelden müssen wir uns für immer verabschieden. Da muss man manchmal ganz schön schlucken. Es ist hier fast so wie bei GAME OF THRONES: Die Autorinnen haben keine Hemmungen, ihre Lieblinge sterben zu lassen, wenn es dramaturgisch notwendig ist. Es gibt aber auch herzerwärmende Liebesgeschichten, einige Hochzeiten, selbst über nationale, religiöse und kulturelle Grenzen hinweg, und jede Menge Nachwuchs. Wie das Leben so spielt.


    Ich habe schon vor Jahren aufgegeben, den Überblick über die unaufhörlich wachsenden Großfamilien behalten zu wollen. Da rettet mich auch kein Personenverzeichnis. Dass die Ziehkinder der Sandeeps und die Nachkommen der Rajas auch noch untereinander heiraten, macht die Sache nicht übersichtlicher. Egal! Hauptsache, die Autorinnen haben ihr Romanpersonal im Griff.


    Alles dahin?

    Irgendwann hat dann jeder Topf, der einen Deckel haben wollte, auch einen gefunden, und der Leser denkt, jetzt kann eigentlich nicht mehr viel schiefgehen. Aber, hey, das ist Kashmir! Da ist immer irgendwas! Das Schicksal holt noch einmal zu einem gewaltigen Schlag aus und alles, wofür Sandeeps und Sharmas gelebt und gearbeitet haben, scheint für immer verloren … Das wäre allerdings ein Jammer! Der Gedanke, der hinter dem Dar-as-Salam steht, hätte wirklich das Zeug dazu, Verständnis füreinander zu wecken und zum friedlichen Zusammenleben beizutragen:


    „Vikram baba hat damals ausschließlich muslimische Waisenkinder aufgenommen, weil er als Hindu ein Zeichen setzen wollte. Aber ich bin Muslim … und es gibt auch viele Hindu-Waisen in Kashmir, die Hilfe brauchen. Ich möchte ab sofort Kinder aller Glaubensrichtungen bei mir aufnehmen – damit sie gemeinsam aufwachsen und dabei auch lernen, die Religionen der jeweils anderen zu achten. (Seite 538)


    Eine Idee mit Zukunft

    Das Leben geht weiter. Solange wir atmen, hoffen wir. Und so ist zwar die Kashmir-Saga zu Ende aber die Idee, die hinter dem Dar-as-Salam stand, wird mit etwas Glück weiterleben und hoffentlich die gewünschten Früchte tragen.


    Die Reihe hat mit diesem Band einen schönen und würdigen Abschluss gefunden. Trotzdem werde ich die eigenwilligen Helden und ihre trubeligen Großfamilien vermissen. So ist das immer, wenn einem Serienfiguren über die Jahre so richtig ans Herz gewachsen sind.


    Die Autorinnen

    Simone Dorra wurde 1963 in Wuppertal geboren, machte eine Ausbildung zur Buchhändlerin und arbeitete mehrere Jahre als kirchliche Radio-Redakteurin für den Privatfunk. Sie ist verheiratet, Mutter von drei erwachsenen Kindern und Autorin von sechs Büchern im Silberburg-Verlag Tübingen. Als begeisterter Fan von Indien und Kashmir schrieb sie "Das Haus des Friedens" als Soloprojekt und setzte es gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Ingrid Zellner zu einer Serie in insgesamt sieben Bänden fort, die seit 2017 bis zum Frühjahr 2022 bei tredition erscheinen. http://www.simonedorra.de


    Ingrid Zellner, geboren 1962 in Dachau. Studium der Theaterwissenschaft, der Neueren deutschen Literatur und der Geschichte in München. 1988 Magisterexamen. Dramaturgin 1990 bis 1994 am Stadttheater Hildesheim und 1996 bis 2008 an der Bayerischen Staatsoper München. Freiberufliche Tätigkeit u.a. als Übersetzerin (Schwedisch) und Autorin sowie als Schauspielerin und Regisseurin. Bevorzugte Reiseziele: Skandinavien, die Arktis und Indien. www.ingrid-zellner.de, www.kashmirsaga.de

    Ich wusste nicht so recht, in welche Rubrik ich dieses Buch packen soll. Wenn es jemand der Verantwortlichen hier in anderen Rubrik haben will, dann bitte umbetten.


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    Jette Jorjan: Schneegeglitzer, Schlittenflitzer, jingle bell. Kurzgeschichten und Gedichte, Ahrensburg 2022, Tredition, ISBN 978-3-34771242-3, Softcover, 130 Seiten mit s/w-Fotos und Illustrationen, Taschenbuch: EUR 13,00, Hardcover: EUR 22,00, Kindle: EUR 9,99.


    Jette Jorjans Weihnachtsmann-Geschichten wurden zum Vorlesen geschrieben. Das merkt man – sie rufen geradezu nach einem gespannt lauschenden Publikum. Eine der Stories habe ich mal von einem professionellen Rundfunksprecher vorgetragen gehört (SCHLITTEN KAPUTT, Seite 98), und das war wirklich ein Erlebnis!


    Besonders traditionell sind die Geschichten ja nicht. Die Autorin nutzt das vor allem aus den USA bekannte Personal wie Weihnachtsmann, Wichtel, Weihnachtsengel, Rentiere & Co und interpretiert sie neu. Da bekommen die magischen Wesen auf einmal ganz moderne Ansichten und eine menschlich-humorvolle Seite. Sogar die Tiere. Hier ist nichts, wie man es gewohnt ist. Vielleicht stehen deshalb die Weihnachtsbäume auf dem Buchcover auch Kopf. 😊


    Rudolf unterwegs

    Das berühmte Rentier Rudolf hat es satt, wegen seiner roten Nase gemobbt zu werden. Das b l ö d e Geschwätz eines Wichtels ist der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt. Statt sich zum Dienst zu melden und, wie immer, den Schlitten des Weihnachtsmanns zu ziehen, schwingt Rudolf sich auf eine Wolke und flüchtet zur Erde. Dort trifft er auf Artgenossen, die sich nicht an seiner Nase stören, und ist begeistert. Bei denen ist es noch himmlischer als im Himmel! Rudolf beschließt zu bleiben. Aber was machen „die da oben“ jetzt ohne ihn? (Seite 9)


    Rudolf retour

    Der Weihnachtsmann und seine Truppe bemerken recht schnell, dass Rudolf verschwunden ist. Nun stehen sie d u m m da. Wie soll ohne ihn der Schlitten am Weihnachtsabend auf die Erde kommen? Den Wichtel, der Rudolf noch kurz vor dessen Flucht gemobbt hat, plagt jetzt das schlechte Gewissen. Und was macht er? Er verpetzt die Wolke, die das Rentier zur Erde gebracht hat. Die ist sich keiner Schuld bewusst – sie kannte ja die Vorgeschichte nicht – soll jetzt aber den Schlamassel ausbaden und den abtrünnigen Rudolf zurückbringen …! (Seite 22)


    Weihnachten in Gefahr

    Das ist eine eigenständige Geschichte, die nicht auf die beiden vorigen aufbaut: Der Weihnachtsmann hat keinen Bock mehr auf seine Aufgabe. Er findet, die Menschen hätten dieses Jahr keine Geschenke verdient:

    Kümmert sich irgendjemand auf der Erde darum, dass es der Erde gutgeht? Nein, keiner! Jeder nimmt und nimmt und gibt nichts zurück! Deshalb gibt es dieses Jahr nichts. Rein gar nichts!“ (Seite 39)

    Seine Mitarbeiter:innen sind schockiert: Was ist jetzt mit all denen, die auf der Welt gar nichts zu sagen haben? Die Kinder, die Tiere, die Natur selbst … sollen die auch kein Weihnachten bekommen? Das ist doch nicht fair! Einer der Engel pfeift auf alle Anordnungen und ergreift die Initiative … (Seite 37)


    Mi, Mau & Papa Noel

    Hier erfahren wir, warum Rudolf neuerdings von zwei Katzen begleitet wird und weshalb der Weihnachtsmann davon nichts wissen soll. (Seite 48)


    Verregnete Weihnacht

    Wie soll man mit dem Schlitten Geschenke ausfahren, wenn es nirgendwo auf der Welt mehr schneit? Und jetzt hat der Weihnachtsmann auch noch die Grippe! Das heißt, es gibt auch keinen Fahrer. Fällt Weihnachten nun aus? Nur Erdmutter Demeter könnte jetzt noch einen Rat wissen. Aber die darf man nur im äußersten Notfall stören. Ist das einer? Mutter Demeter hat zu dem Thema eine recht spezielle Meinung … (Seite 58)


    Weiße Pfoten frieren nicht?

    Erst spät auf ihrer Weihnachtstour fällt Rudolfs Begleitkatzen auf, dass dieses Jahr alle Päckchen auf dem Schlitten gleich aussehen und sich verdächtig leicht anfühlen. Vorher waren die zwei mit wichtigen Katzenfragen beschäftigt: Wärmen weiße „Stiefelchen“ besser als andersfarbige? (Seite 65)


    Die wahre Geschichte über den Weihnachtsmann

    Hier enthüllt die Autorin, wie der Weihnachtsmann zu seinem Job gekommen ist. Eigentlich hatte er ja ganz andere Pläne … (Seite 75)


    Schlitten kaputt

    Der Weihnachtsmann-Schlitten hat schon etliche Jahre auf dem Buckel und ist nun endgültig hinüber. Seltsamerweise macht „der Chef“ keine Anstalten, sich ein Ersatzfahrzeug zu besorgen. Rudolf wird nervös. Wenn sein Boss nicht bald in die Pötte kommt und einen neuen Schlitten kauft, wird er zum nächsten Fest auf Rudolf reiten müssen. Dafür ist sein traditionelles Weihnachtsmann-Outfit aber denkbar ungeeignet. Und wie will er all die Geschenke transportieren, wenn er kein Fahrzeug mehr hat? Sollte er nicht bald mit einer zündenden Idee um die Ecke kommen, sieht Rudolf fürs kommende Weihnachtsfest schwarz … (Seite 98)


    Auf der Suche nach dem Weihnachtsmann

    Erst denkt die Belegschaft ja, der Weihnachtsmann habe sich nach dem letzten Fest eine Auszeit genommen und sei zu Erholungszwecken noch eine Weile auf der Erde geblieben. Jette Jorjan: Schneegeglitzer, Schlittenflitzer, jingle bell Doch jetzt naht das nächste Fest und „der Chef“ ist noch immer nicht zurück. Rudolf ist in Sorge und macht sich auf die Suche … (Seite 111)


    Die Tanne

    Wie finden es eigentlich die Tannen, dass man sie als Weihnachtsbäume schlägt und sie zu Dekorationszwecken sterben müssen? Na, wir können es uns denken! Diese Geschichte hier wächst sich zu einer ziemlich unweihnachtlichen Horror-Story aus. Das ist schon eher jingle hell als jingle bell. Wenn man das richtige Publikum hat, ist DIE TANNE bestimmt der Brüller (Seite 124)


    Die Gedichte

    Zwischen die einzelnen Kurzgeschichten sind immer wieder Bilder und Gedichte zu winterlichen und weihnachtlichen Themen eingestreut. Die kürzeren Gedichte sind ebenfalls vorlesegeeignet, die längeren sind eher was zum selbst Genießen. Ich fand’s zum Beispiel faszinierend, was man alles über Schneeflocken in Verse gießen kann, aber ich fürchte, beim Vorlesen verlangt das Publikum nach Handlung und „Action“ und würde hier die Geduld verlieren. Und das wäre ja schade.


    Sollte ich mir aus diesen unkonventionellen Beiträgen eine Lieblingsgeschichte aussuchen, fiele mir die Wahl schwer. Der gemobbte Rudolf aus der ersten Story ist klasse, die Horrorstory von der Tanne ist wunderbar makaber und bei SCHLITTEN KAPUTT habe ich immer die Stimme des professionellen Sprechers im Ohr. Hier wird sicher jeder seine Favoriten finden!


    Die Autorin

    Jette Jorjan, geboren 1951 nahe der ostfriesischen Nordseeküste, nach Stationen in Berlin, England, Frankreich, USA, ist ihr Lebensmittelpunkt mit Mann und fünf Katzen im Sauerland. Als Sekretärin und techn. Übersetzerin (engl., franz.) arbeitete sie bei einem Maschinenhersteller. Bei der Einführung des Euro gewann ihre Kurzgeschichte: „Hommage an die Mark“ zwei erste Preise, bei der Westfalenpost und beim ZDF.

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    Conny Sporrer, Anna Maria Sanders: So isser brav! Aus dem Leben verzweifelter Menschen und ihrer Hunde, München 2022, riva Verlag, ISBN 978-3-7423-2140-4, Softcover, 208 Seiten, mit Links/QR-Codes, die zu Zusatzinformationen bzw. Trainingstipps/Videos führen, Buchformat: 13,5 x 1,32 x 21 cm, Buch: EUR 15,00, Kindle: EUR 11,99.


    Im Vorwort schreibt Hundeexperte Martin Rütter:

    „Hundeexpertin und Trainer-Kollegin Conny Sporrer ist, gemeinsam mit ihrer Co-Autorin Maria Sanders, mit diesem Buch ein Spagat gelungen, den es so noch nicht gibt: Die Beiden haben einerseits die Höhen und Tiefen der Hundehaltung in eine wirklich unterhaltsame Story verpackt, gleichzeitig aber einen Ratgeber erschaffen, der grundlegende Erziehungstipps enthält und Hundeverhalten absolut verständlich erklärt.“ (Seite 7)


    Ein Sachbuch in Romangestalt

    So eine Mischung aus Roman und Sachbuch wie in diesem Band ist mir noch nie untergekommen. Statt trockene Lektionen zu lernen, begleiten wir eine bis dato ahnungslose Familie und ihren unerzogenen Second-Hand-Terriermischling beim gemeinsamen Lernen. Mal schildern Herrchen oder Frauchen ihre Erfahrungen, mal der Hund. Trainingsvideos, die man sich im Internet ansehen kann, unterstützen den Lerneffekt.


    Ich hatte angenommen, dass sich die titelgebende Aussage „so isser brav“ auf den zu erziehenden Hund bezieht. Ich fürchte allerdings, das denkt sich der Hund, wenn er sein Herrchen wieder mal erfolgreich manipuliert hat. :D


    Benji muss erzogen werden!

    Den Terriermischling Benji hat die Familie aufgenommen, weil sie glaubte, ein Hund würde ihrem jüngeren Sohn, einem Zwölfjährigen mit ADHS, guttun. Doch jetzt stellen sie fest, dass sie sich mit dem temperamentvollen Junghund wohl eher einen Terror-Mischling eingefangen haben. Noch mehr Chaos als ohnehin schon können sie aber nicht gebrauchen. Also beschließt Doris, dass der Hund professionell erzogen werden muss. Nur mit Bauchgefühl und ganz ohne Erfahrung scheint das nämlich nicht zu funktionieren.


    Der erste Besuch bei einer Hundeschule ist ein Flopp. Die Methoden dort sind Doris zu rau. Da gehen sie und Benji nie wieder hin! Über eine hundehaltende Bekannte kommt sie schließlich an die Hundetrainerin Corinna


    Wir lernen mit den Helden mit

    Doris lernt, Benji lernt und wir Leser:innen lernen mit ihnen, während sie uns abwechselnd von ihrer Trainingsarbeit berichten. Trainerin Corinna erklärt und leitet an, Doris setzt das mit mehr oder weniger Erfolg um und Benji erzählt uns, was er von der ganzen Sache hält. Der Laie staunt: Ach so kommt das menschliche Verhalten beim Hund an! Ja dann ist diese oder jene Reaktion ja kein Wunder!


    Schimmerlose Hundehalter

    Kaum haben Bergmanns die ersten Lektionen verinnerlicht, sehen sie auch schon, wie viele andere Hundebesitzer:innen völlig schimmerlos agieren, wenn es um die Erziehung ihrer Vierbeiner geht.


    • Da sind zum Beispiel die Gassigeher, die ihr Tier ohne Leine laufen lassen aber außerstande sind, es zurückzurufen, wenn eine Situation brenzlig zu werden droht. Sie lassen ihren Hund ungebremst auf fremde Menschen und Tiere zurennen und rufen aus sicherer Entfernung beschwichtigend: „Der tut nix!“Das kann’s ja nicht sein!
    • Dann sind da Leute, die, wie Doris‘ Freundin Gabi, ihren Hund so stark vermenschlichen, dass er nicht mehr in der Lage ist, mit seinen Artgenossen adäquat zu kommunizieren. Geht auch nicht!
    • Und es gibt solche wie die neureichen Nachbarn der Bergmanns, die ihren Hund als Modeaccessoire und Statussymbol sehen und gar nicht auf die Idee kommen, dass das ein Lebewesen ist, auf dessen Bedürfnisse man auch mal Rücksicht nehmen müsste. Das ist das Allerletzte!


    Diese Negativbeispiele werden recht plakativ und überspitzt dargestellt. Wir Leser:innen sollen ohne großes Rätselraten erkennen, was diese Menschen im Umgang mit ihrem Hund falsch machen. Unterhaltsam ist das, aber eben auch sehr klischeehaft.


    Mit Vergnügen lernen

    Man lernt einiges in den 12 Kapiteln dieses Buchs – und das auf amüsante Weise. Der richtige Zeitpunkt, den Band zu lesen, ist meines Erachtens, bevor man sich einen Hund ins Haus holt, damit man weiß, was auf einen zukommt. Wenn er da ist, sollte man für das, was die Autorinnen uns hier schildern, bereits gewappnet sein.


    Aus dem Inhalt

    1. Wer nicht jagt, der nicht gewinnt – Rückruftraining
    2. Der Eiertanz um Dominanz – Verhalten bei Besuch und Begegnungen
    3. Die Hoffnung stirbt zuletzt – Beschäftigung, Impulskontrolle
    4. Willst du gelten, mach dich selten – Wenn der Hund die Entscheidungen trifft / Anspringen von Personen
    5. Angriff ist die beste Verteidigung – Kommunikation zwischen Hund und Mensch
    6. Der Hund vom anderen Stern – Körpersprache, Missverständnisse
    7. Das unverstandene Ende der Leine – Leinenführigkeit, Beschäftigung
    8. Was Herrchen nicht lernt, lernt Hund nimmermehr – Leinenführigkeit, Rückruf, Körpersprache: Auch der Mensch muss vieles erst lernen
    9. Das hat sie ja noch nie gemacht! – Beziehung zwischen Hund und Mensch, Hundebegegnungen
    10. Stille Nacht, stressige Nacht – Besuch, Begrüßung, Impulskontrolle, wie man einen Hund richtig ignoriert
    11. Zwischen Genie und Wahnsinn – Zur Vertiefung: Beschäftigung, Impulskontrolle, Körpersprache, Hundebegegnungen
    12. Von schlechten und guten Vorsätzen – Silvester, Hunde und Feuerwerk, Angst


    Eine Idee mit Charme

    Wenn ich es richtig verstanden habe, hat Anna Maria Sanders nach demselben Muster – romanhafte Aufbereitung eines Sachbuchs – bereits einige Erziehungsratgeber geschrieben und zwar auch mit Familie Bergmann als Protagonisten. (Ich nehme an, Conny Sporrer war bei SO ISSER BRAV! hauptsächlich für die zu vermittelnden Fakten zuständig.) Das würde erklären, warum man als Leser:in das Gefühl hat, die Bergmanns bereits kennen zu sollen. Zack, geht’s rein ins Geschehen, ohne dass man weiß, wer hier wer ist, und ich habe echt ein Momentelchen gebraucht, um durchzublicken: Wer oder was ist jetzt Smartie? Ein Tier? Ein Mensch? Ein Computerdings wie Alexa oder Siri? Ach so, nee! Der älteste Sohn! Okay … Die Verwirrung währt aber nur kurz, man kommt dann recht schnell klar.


    Die Idee, Sachinformationen in eine Romanhandlung zu packen, hat auf jeden Fall Charme.


    Die Autorinnen

    Nach ihrer Hundetrainer-Ausbildung bei Martin Rütter in Bonn leitet Conny Sporrer seit 2013 ihre eigene Hundeschule in Wien, ist Fachautorin, TV-Hundetrainerin, Referentin für das DOGS Studium, Gründerin ihrer eigenen Online Hundeschule und inzwischen auch erfolgreiche Podcasterin. Bei ihr werden vor allem die Menschen im richtigen Umgang mit Hunden geschult – Verständnis und Beziehung zwischen Hund und Halter spielen dabei die wichtigste Rolle.


    Anna Maria Sanders hat sich der unterhaltsamen Vermittlung von Sachwissen im Erzählstil verschrieben. In ihrem 2016 erschienenen Buch Ich dreh gleich durch! bietet die Autorin einen tiefen Einblick in die ADHS-Thematik bei Kindern. So isser brav!, gemeinsam mit Hundeexpertin Conny Sporrer, ist ihr zweites Buch. Neben ihrer Autorentätigkeit hält Sanders Vorträge zu den Themen »Erziehung« und »schwierige Kinder«.

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    Anna Fleck: Meeresglühen. Für immer versunken (Band 3, ab 14 J.), Münster 2022, Coppenrath Verlag, ISBN 978-3-649-63908-4, Hardcover, 492 Seiten, Format: 15,1 x 4,7 x 21,4 cm, Buch: EUR 20,00, Kindle: EUR 14,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Willkommen an Bord, Baby, begrüßte mich meine innere Stimme. Bereit für eine Fahrt ins Unbekannte? - Kein bisschen. Ich atmete ein, tief und zittrig. Aber scheiß drauf. Los geht’s!“ (Seite 287)


    Eine Berlinerin in Atlantis

    Blondinen haben mehr Spaß? Das ist auch nur so ein Hollywood-Klischee! Die Berlinerin Ella Keane, 18 – ihr englischer Nachname stammt vom Vater – hat mit ihrer goldenen Mähne nichts als Ärger. Im unterseeischen Atlantis, wo sie seit einem halben Jahr inkognito lebt, weist ihre Haarfarbe sie als Bewohnerin der Oberfläche aus. Das kann sie das Leben kosten. Denn mit denen da oben wollen die da unten nichts zu tun haben.


    Das andere Extrem gibt’s auch: Religiöse Atlanter sehen in der Blondine eine Gesandte der „Göttin der Winde“ und erbitten ihren Segen. Ellas goldenes Haar erinnert sie wohl an die allgegenwärtigen goldenen Statuen der Göttin. Auch das ist gefährlich, denn was geschieht, wenn Ella den Erwartungen der Gläubigen nicht gerecht wird und man sie als gewöhnliche Sterbliche enttarnt?


    Verliebt in den Prinzen

    Wie Ella nach Atlantis gekommen ist, wird in den Bänden 1 und 2 erzählt (MEERESGLÜHEN: GEHEIMNIS IN DER TIEFE und MEERESGLÜHEN: WIEDERSEHEN IN ATLANTIS.) Warum sie wider alle Vernunft und entgegen ihren Beteuerungen nicht an die Oberfläche zurückgekehrt ist, ist schnell erklärt: Sie liebt den atlantischen Königssohn Aris und er liebt sie. Doch als Prinz muss er aus politischen Gründen Prinzessin Elyria von Pacifika heiraten. Die hatte zwar auch andere Pläne für ihr Leben, aber so ist das nun mal in Königshäusern.


    Auch wenn es verrückt ist: Am Tag der königlichen Hochzeit mischt Ella sich heimlich unters Volk um mit eigenen Augen zu sehen, dass Aris für sie für immer verloren ist. Und dann gibt es doch noch einen Aufschub, wenn auch aus einem schrecklichen Grund: Ein heftiges Erdbeben unterbricht die Trauungszeremonie, die daraufhin auf unbestimmte Zeit verschoben wird.


    Erdbeben!

    Das ist nicht das erste schwere Beben dieser Art. In jüngster Zeit gab’s mehrere. Noch so eines, und Atlantis und Pacifika sind Geschichte! Die beiden Königreiche haben nicht genügend Schiffe, um alle Bewohner:innen auf die Oberfläche zu evakuieren.


    Religion und Wissenschaft gehen bei den Atlantern und Pacifikern nahtlos ineinander über. Die Menschen dort glauben zu wissen, wer die Erdbeben auslöst: „Der aus der Tiefe“, der Krakengott,


    Ein Opfer für den Krakengott

    Jetzt wollen die Atlanter eine Delegation in den unterseeischen Graben schicken, in dem sie diesen Gott vermuten, und ihn besänftigen – mit einem Menschenopfer! Das Opfer muss jemand aus der Aristokratie sein, und eine Anzahl hochgeborener Zeugen braucht diese Zeremonie auch. Deren Chance, wieder heil nach Hause zu kommen, ist jedoch gering. Und so finden sich Ella, Prinz Aris, sein Statthalter-Kumpel, der Heiler Som und dessen Lebensgefährtin, die Kriegerin Saa zusammen mit anderen Edelleuten an Bord eines U-Boots wieder.



    Verlustreiche Mission

    Die „Mission Menschenopfer“ erweist sich als gefahrvoll und verlustreich.


    Eine ungeheuerliche Entdeckung

    Ella, Aris und Som stoßen in der Tiefe des Meeres auf die Spuren einer uralten Zivilisation, auf eine längst tot geglaubte Feindin, auf giftige Quallenmenschen und auf eine ungeheuerliche Wahrheit, die alles, woran die Atlanter und Pacifiker seit Jahrhunderten glauben, als gigantische Lüge entlarvt. Wenn das zuhause bekannt wird, wird nichts mehr so sein, wie es war. Eine Revolution wird das geben! Doch das ist im Augenblick das geringste Problem der drei. Denn jetzt begegnen sie dem, was wirklich da unten im Tiefseegraben haust.


    • Egal, was das nun ist: Kann man mit „Dem in der Tiefe“ in irgendeiner Weise kommunizieren?
    • Ist er/sie/es wirklich für die Erdbeben verantwortlich?
    • Ist es nötig, einen der Ihren zu opfern, damit die Beben aufhören – oder kann man sich anderweitig handelseinig werden?
    • Sind am Ende alle Bemühungen für die Katz und keiner, der zur „Mission Menschenopfer“ aufgebrochen ist, wird überleben? Es sieht ganz danach aus …


    Faszinierende Unterwasserwelt

    Mit Atlantis und Pacifika hat Anna Fleck eine herrlich faszinierende Welt geschaffen. Man würde das alles zu gerne mal sehen! Auch die politische Situation ist nachvollziehbar. Es geht da unten ganz ähnlich zu wie bei uns an der Oberfläche: Jeder ist auf seinen Vorteil bedacht, will sich seine Pfründe sichern und nur ja nichts riskieren. Es wird intrigiert, vertuscht und gelogen, dass es eine wahre Pracht ist. Nicht einmal vor Mord schrecken die machtgierigen Gestalten zurück!


    Dass der Prinz unter diesen Umständen keinen Bock hat, das Reich zu regieren, wundert uns nicht. Er ist ja immer davon ausgegangen, dass einer seiner Brüder König werden wird. Nach deren Tod hat plötzlich er den Job an der Backe – und die pacifische Prinzessin, die ihn ebenso wenig heiraten will wie er sie.


    Kriegen sie sich denn?

    Vom ersten Band an habe ich mich gefragt, ob und wie die Autorin die beiden Liebenden – Ella und Aris – zusammenbringen will. Da Atlantis seine Existenz vor den Menschen an der Oberfläche geheim halten muss, gibt’s eigentlich nur drei Möglichkeiten:

    Ich hatte noch die heimliche Hoffnung auf eine originelle vierte Variante, auf die ich selbst nicht gekommen bin. Wofür die Autorin sich schlussendlich entschieden hat, darf jede:r selber lesen.


    Vielleicht liegt’s daran, dass ich’s generell nicht so mit Märchenprinzen habe: Ich hatte auch in Betracht gezogen, dass Ella ihren Prinzen sausen lässt und stattdessen den schlagfertigen Ratsherren Dromos nimmt. Er ist derjenige, der sie am Ende von Band 2 wieder mit nach Atlantis genommen hat, statt sie an Land abzusetzen, und der sie seitdem versteckt hält.


    Die zwei sind ständig zusammen, unterhalten und kabbeln sich und er scheint an ihr interessiert zu sein. Das hätte was werden können! Okay, vielleicht – nur vielleicht! – sieht Prinz Aris besser aus als der Ratsherr. Aber Aris ist doch irgendwie immer nur am Leiden. Ich denke, mit dem bodenständigen Dromos hätte Ella mehr Spaß gehabt. Aber gut … das muss die Heldin selber wissen. 😊


    Spannend und phantasievoll

    Ich kann dem Schluss, den sich die Autorin für diese Trilogie ausgedacht hat, wunderbar leben und hatte meine Freude an der spannenden und phantasievollen Reihe. Vor allem mit Ellas schnodderiger inneren Stimme („Der König hat einen in der Krone!“ – Seite 52), die meist gar nicht zu dem seriösen und würdevollen Eindruck passte, den sie gerade zu erwecken versuchte.


    Es war mir ein Vergnügen.


    Die Autorin

    Anna Fleck wurde 1974 in Norddeutschland geboren. Ihre Kindheit verbrachte sie in Bullerbü, Phantásien und im Auenland. Sie ist Romanistin, Kulturmanagerin und PR-Beraterin, schafft aber lieber neue Welten per Tastatur und Zeichenstift. Heute lebt sie mit Mann und Kindern im Norden von Berlin und fährt so oft wie möglich ans Meer – egal an welches … http://www.anna-fleck.de

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    Roland Bock: Jetzt verstehe ich die Bäume. Heimische Baumarten erkennen und bestimmen – mit Infokarten zum Mitnehmen (ab 6 J.), München 2022, arsEdition, ISBN 978-3-8458-4703-0, Hardcover,48 Seiten, durchgehend farbige Fotos und Illustrationen, Illustrator: Johannes Reiner, 14 herausnehmbare Bestimmungskarten zum Mitnehmen, Buchformat: 26,5 x 1,2 x 20 cm, EUR 12,99.


    Zwei Schüler und zwei Cartoon-Figuren führen die jungen Leser:innen durch die heimischen Wälder und Parks und erklären ihnen auf unterhaltsame und altersgerechte Weise, anhand welcher Merkmale man die verschiedenen Laub- und Nadelbaumarten erkennen kann. Vom Ahorn über die Kastanie bis hin zur Weide werden zehn Laubbäume vorgestellt. Bei den Nadelbäumen sind’s vier: Lärche, Fichte, Tanne und Kiefer. Ich habe das als Kind von meinem naturverbundenen Vater beigebracht bekommen und habe hier trotzdem noch allerhand dazugelernt!


    Lesen, sehen, schnuppern, fühlen

    Am sinnvollsten ist es wahrscheinlich, dass man erst das Buch liest und dann für die „praktischen Übungen“ vor Ort die Bestimmungskarten mitnimmt. Die enthalten jeweils eine Kurzversion der Infos aus dem Buch. Wozu benötigt man überhaupt einen „Ortstermin“? Nun, nicht alle Unterscheidungsmerkmale erschließen sich rein optisch. Manches muss man auch ertasten, erschnuppern oder rascheln hören.



    Buch mit Bestimmungskarten, Abb.: (c) arsEditon, Foto: E. Nebel


    Wichtig ist es, zu verschiedenen Jahreszeiten in den Wald zu gehen und die Bäume zu betrachten. Es hilft ja nichts, wenn man sie nur anhand ihrer Früchte erkennt, aber die Bäume gerade gar keine tragen! Da muss man sich an andere äußerliche Erkennungszeichen halten. Bei der Birke mit ihrem weißen Stamm oder der Eiche mit ihren gebuchteten Blatträndern ist das noch relativ einfach.


    Doch wer weiß schon,

    • Dass Buchen spitze Knospen haben?
    • Dass Nussbaumblätter nach Zitrone riechen?
    • Dass Eschenknospen schwarz sind?
    • Dass die Kastanienbäume für ihre Knospen einen klebrigen Frostschutz entwickelt haben?
    • Dass die Blätter des Lindenbaums herzförmig sind?
    • Und dass man sich den Unterschied zwischen Fichten und Tannen mit einem einfachen Merksatz einprägen kann?

    Witzig und einprägsam

    Wir erfahren, woran man erkennt, ob man eine Esskastanie oder eine für den Menschen ungenießbare Rosskastanie vor sich hat und worin sich Tannen- von Fichtenzapfen unterscheiden. Anmerkung der Rezensentin: Es gibt eine Biersorte, die den Tannenzapfen im Namen führt, auf deren Etikett aber eindeutig Fichtenzapfen abgebildet sind. Das wäre nicht passiert, wenn die Verantwortlichen als Kinder schon dieses Buch gekannt hätten …


    Die kleine Baumkunde ist abwechslungsreich, witzig und einprägsam gestaltet. Das ist absolut keine trockene Botanik-Stunde! Und wenn man das große Baumquiz auf den Seiten 40/41 lösen kann, hat man viel gelernt.



    Beispielhafte Doppelseite, Abb.: (c) arsEditon, Foto: E. Nebel


    „Ein ausgewachsener Baum produziert täglich 11.000 Liter Sauerstoff aus Kohlendioxid. Das reicht 25 Menschen für einen ganzen Tag zum Atmen.“ (Seite 43)


    Ein guter Anfang

    Auf den abschließenden Doppelseiten gibt’s noch Zusatzinformationen zum Naturschutz, zur Nutzung verschiedener Holzarten und die Aufforderung, auch einmal in der Stadt auf Baumentdecker-Tour zu gehen. Aber ich fürchte, bei ihren urbanen Feldforschungen werden die jungen Leser:innen kaum Erfolgserlebnisse haben. Außerhalb des Waldes funktioniert die Anwendung des Gelernten schon auf dem Dorf kaum. Die Leser:innen (er)kennen jetzt Birke, Ahorn, Eiche, Erle, Weide, Buche, Walnuss, Kastanie, Esche und Linde sowie die vier gängigen Nadelbaumarten, aber wenn ich die Probe aufs Exempel mache, sehe ich an den Straßen und in den Gärten vielfach Platanen und Akazien, den einen oder anderen Obstbaum, ein paar Blauglockenbäume sowie andere Exoten und außerhalb der Ortschaften gelegentlich ein paar Pappeln. Und die kommen in dem Buch alle nicht vor. Okay, es ist ja auch ein „Grundkurs“ in Sachen einheimischer Bäume. Und das ist ein guter Anfang.


    Ist bei den Kindern erst einmal das Interesse an der Natur und den Bäumen geweckt, kommt weiteres Detailwissen automatisch.


    Sollte der Autor je auf die Idee kommen, sich auf diese bewährte Weise die Obstbäume vorzunehmen: Ich wäre gerne wieder dabei! Obstbäume erkenne ich nämlich wirklich nur an den Früchten. 😊 Klar gibt’s diese Informationen auch irgendwo in den unendlichen Weiten des Internet. Aber da sind sie eben nicht so einprägsam aufbereitet wie in einem Kinder-Sachbuch von Roland Bock.


    Der Autor

    Roland Bock ist Rektor an einer Grundschule im Landkreis Unterallgäu und Dozent an der Universität Augsburg am Lehrstuhl Grundschulpädagogik. Seine Leidenschaft gehört dem Naturschutz und der Jagd – hier ist er in verschiedenen Funktionen im Landkreis Augsburg tätig. Roland Bock ist verheiratet, hat zwei erwachsene Söhne, ist dreifacher Opa und lebt in Schwabmünchen bei Augsburg.


    Der Illustrator

    Johannes Reiner studierte Kommunikationsdesign in München und Illustration bei Wolf Erlbruch in Wuppertal. Seitdem arbeitet er als Dozent für Zeichnen an der Akademie für Gestaltung und Design in München. 2001 gründete er mit seiner Frau das Grafik-Büro Vor-Zeichen. Er lebt mit seiner Familie im bayerischen Voralpenland.

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    Ulrike Renk: Ulla und die Wege der Liebe. Eine Familie in Berlin (Band 3), Berlin 2022, Aufbau Verlag, ISBN 978-3-7466-3765-5, Softcover, 486 Seiten, Format: 13,3 x 3,9 x 20,5 cm, Buch: EUR 12,99 (D), EUR 13,40 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Hörbuch/Audio-CD lieferbar.


    „Du bist eine wundervolle und fürsorgliche Mutter. […] Aber du bist auch Ulla – du bist Künstlerin, Gestalterin, Zeichnerin. Ohne Papier und Stifte wirst du unglücklich. Das muss Heinrich begreifen, und ich bin mir sicher, in der Tiefe seines Herzens weiß er es.“ (Seite 364)


    In Band 3 geht’s um die Kinder und Schwiegerkinder des Künstler-Ehepaars Paula und Richard Dehmel und darum, wie sie mit Liebe und Trauer umgehen.


    Heirat in weiter Ferne

    Berlin/Hamburg 1919: Die Graphikerin Ursula „Ulla“ Stolte, die eine Art Ziehtochter der Schriftstellerin Paula Dehmel war, würde jetzt gerne ihre Schwiegertochter werden. Doch ihr Freund, der angehende Arzt Heinrich Dehmel, kommt einfach nicht in die Hufe!


    Ulla ist geduldig. Die Familie ist ja noch in Trauer um die Mutter. In diesen Schmerz mischt sich eine Prise Habgier: Auch wenn Paula Dehmel keine Reichtümer besessen hat, wird eifersüchtig über die Verteilung ihres Erbes – ein paar Möbel und eine Wohnung – gewacht. Auf keinen Fall wollen die erwachsenen Dehmel-Kinder Vera, Heinrich und Lotti, dass die zweite Frau ihres Vaters, die überkandidelte Ida, sich etwas von Paulas Besitz unter den Nagel reißt. Die drei nehmen es Ida heute noch übel, dass sich ihre Eltern vor zwanzig Jahren ihretwegen getrennt haben.


    Alle leben in Vaters Haus

    Ida kann sehr unsensibel sein, aber sie liebt ihren Mann Richard und irgendwie auch ihre Stiefkinder. Wenn sie könnten, würden Vera, Heinrich und Lotti ihr allerdings aus dem Weg gehen, genau wie ihrem egozentrischen Vater, der immer seltsamere Ansichten entwickelt. Das geht aber nicht, weil keiner der Dehmel-Nachkommen finanziell auf eigenen Beinen steht: Vera hat den flatterhaften Allround-Künstler Tetjus Tügel geheiratet, Heinrich und Lotti sind noch in der Ausbildung. Also leben bald alle zusammen in Blankenese, im Haus von Richard und Ida Dehmel. Das führt unweigerlich zu Spannungen, was sich noch verschlimmert, als Richard zum Pflegefall wird.


    In dieser Patchworkfamilie steht immer die Frage im Raum, wer wen mehr liebt und welche Art der Liebe die richtige oder zumindest die bessere ist.


    Liebe und Freiheit

    Wie viel Freiheit lässt man einander, wenn man sich liebt? Und ab wann ist es Gleichgültigkeit? Liebt Tetjus Tügel seine Frau Vera und seinen Sohn oder liebt er nur sich selbst? Er kümmert sich weder finanziell noch anderweitig um seine Familie. Aber er redet seiner Frau auch nicht rein. Sie kann weiterhin als Künstlerin tätig sein, auch wenn sie jetzt Ehefrau, Hausfrau und Mutter ist. (Sie muss sogar – sie braucht ja ein Einkommen!) Wie wäre das wohl, wenn Ulla mit Heinrich verheiratet wäre? Würde sie dann weiterhin zeichnen können und dürfen? Oder würde er erwarten, dass sie nur noch Arztgattin, Haushälterin und Mutter ist? In dem Fall viel Spaß! Ulla kann weder Ordnung halten noch einen Haushalt führen. Sie kann nicht einmal kochen.


    Den Unterschied zwischen Theorie und Praxis und den wahren Wert von Versprechungen lernt Ulla nach der Hochzeit kennen. Vereinbarkeit von Familie und Beruf? Von wegen! Schon beim ersten Kind sitzt sie in der Hausfrauenfalle und kommt gar nicht mehr zum Zeichnen. Heinrich bestimmt, wo sie wohnen und ob sie das zusammen oder zeitweise getrennt tun. Er erwartet einen perfekten Haushalt und wird immer nörgeliger und unleidlicher, als alles nicht so läuft, wie er sich das vorgestellt hat.


    Der schreckliche Schwager

    Klar, Ulla geht’s immer noch besser als ihrer Schwester Hilde Deist, die von ihrem perfektionistischen Ehemann Helmuth schikaniert wird.

    Die häusliche Situation bei Deists eskaliert dramatisch …


    Tod des Patriarchen

    Dass es beim Dehmel-Clan in Blankenese nach dem Richards Tod nicht ebenfalls zur Eskalation kommt, ist Ulla zu verdanken. Sie vermittelt zwischen der Witwe Ida mit ihren durchgeknallten Ideen (das Theater mit der Urne!) und Richards aufgebrachten Kindern. Die müssen ihre Stiefmutter nicht lieben, sollten aber wenigstens ihre Position in der Familie respektieren.


    Schwager Tetjus wird der Familienzirkus zu viel und er zwitschert ab in die Künstlerkolonie Worpswede. (Ich habe mal nach ihm gegoogelt. Ja, genau so habe ich mir sein weiteres Leben vorgestellt! Die Sorte kenne ich. :D ) Und als Ullas Mann Heinrich die damals gerade modernen Séancen für sich entdeckt und auf diesem Weg Ungeklärtes mit seinen Eltern aufarbeiten will, gleitet er völlig ins Irrationale ab. Er merkt gar nicht, wie sehr er seine Frau mit seinem Verhalten verletzt. Ist das jetzt das Ende ihrer großen Liebe und ihrer Ehe …?


    Wie wir wissen, ist EINE FAMILIE IN BERLIN die romanhafte Aufbereitung einer wahren Familiengeschichte. Es gibt also keinen künstlich generierten hochdramatischen Spannungsbogen. Was hier passiert, ist das Leben. Die Kernfrage ist, wie sich eine moderne Frau, die andere Ambitionen hat als einen makellosen Haushalt, durchs Leben kämpft, wenn ihr Umfeld mehrheitlich noch in gestrigen Vorstellungen feststeckt.


    Freigeist oder Spießer?

    Ja, in der Künstler-Boheme, zu der hier Anknüpfungspunkte bestehen, regt sich niemand darüber auf, wenn Paare unverheiratet zusammenleben oder eine Frau Kinder von einem anderweitig gebundenen Mann hat. Dass Künstlerinnen arbeiten, auch wenn sie einen Hausstand und Kinder haben, ist da völlig normal. Ulla ist mit diesen Künstler:innen zwar bekannt, befreundet oder verschwägert, aber sie lebt nicht ausschließlich in deren Welt. Sie ist auch die Ehefrau eines Arztes. Da gelten andere Maßstäbe.


    Als Spross der Künstlerfamilie Dehmel kennt auch Heinrich die Künstlerwelt und die der braven Bürger. Ein Spagat dazwischen ist nicht zu schaffen. Man kann nicht gleichzeitig freigeistiger Künstler und angepasster Spießer sein. Heinrich und Ulla scheinen aber genau das zu probieren. Die Frage ist, ob sie daran scheitern oder ob sie sich für die eine oder andere Seite entscheiden.


    Machos und Egozentriker

    Das ist jetzt Band 3 der Reihe und bis jetzt hat mich jeder einzelne erwachsene Kerl aufgeregt, der darin vorkam. Alles Machos, Egozentriker, Narzissten, Besserwisser, Antisemiten und sonstige Armleuchter … gaaah! Vermutlich ist es unfair, die Männer von damals nach heutigen Maßstäben zu beurteilen. Sie sind Kinder ihrer Zeit. Manche werden zu Angstbeißern, wenn sie es mit Frauen zu tun bekommen, die ihrer Zeit voraus sind. Aber ein paar sind wirklich nur A***l*cher!


    Jetzt bin ich gespannt darauf, wie’s weitergeht. Man kommt sich fast selbst schon wie ein Mitglied des Dehmel-Clans vor, wenn man eine so lange und intensive Zeit mit ihnen verbracht hat. Im nächsten Band rechne ich noch nicht mit modernen Männern. Da haben die Menschen andere Sorgen. Aber vielleicht in Band 5. Über Ullas Kinder habe ich nicht viel im Internet gefunden. Also vermute ich, dass sie die Künstlerszene mit ihrer hohen Egomanen-Dichte verlassen haben. Vielleicht ist „außerhalb“ die Chance größer, auf einen Mann zu treffen, der nicht glaubt, dass sich die Welt gefälligst um ihn zu drehen habe. Schauen wir mal!


    »Heute haben Frauen sehr viel mehr Rechte, als Paula oder Ursula sie jemals hatten. […]. Heute kann man als Frau ganz anders agieren und auch reagieren. Aber die Gefühle … ja, die Gefühle – die Verzweiflung, der Hass, die Wut und vor allem die Liebe – die gab und gibt es damals wie heute. Und in diesen Gefühlen sind wir uns gleich. Über die Generationen hinweg.« - Ulrike Renk / Pressetext des Verlags


    Die Autorin

    Ulrike Renk, Jahrgang 1967, studierte Literatur und Medienwissenschaften und lebt mit ihrer Familie in Krefeld. Familiengeschichten haben sie schon immer fasziniert, und so verwebt sie in ihren erfolgreichen Romanen Realität mit Fiktion. Mehr zur Autorin unter http://www.ulrikerenk.de

    Das ist ja toll! Ich hab immer mal wieder auf die Seite geschaut, obwohl ich ja wusste, dass mit Neuigkeiten frühestens Ende des Monats zu rechnen war.


    Sehe ich das richtig: Neue Rezensionen sind in den Foren nicht mehr gewünscht? Stichwort "Rezensionssammelshit"? Ist alles okay, ich will's nur wissen, damit ich mir nicht unnötig Arbeit mache.

    Ja, das wäre natürlich schade, wenn hier die Lichter ausgingen. Aber so sehr wir uns auch an unser virtuelles Lesezimmer gewöhnt haben: Wir haben keinen Anspruch auf Zeit, Geld und Herzblut der Betreiberin.


    Aktuell habe ich noch einmal eine Fuhre Rezensionen online gestellt und warte danach ab, ob und wie es weitergeht. Hoffentlich kriegen wir die Entscheidung mit (facebook?).

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    Elizabeth George: Meisterklasse. Wie aus einer guten Idee ein perfekter Roman wird, OT: Mastering the Process. From Idea to Novel“, aus dem Englischen von Charlotte Breuer und Norbert Möllemann, München 2022, Wilhelm Goldmann Verlag, ISBN 978-3-442-31562-8, Hardcover mit Schutzumschlag und Lesebändchen, 413 Seiten mit s/w-Fotos, Buch: EUR 20,00 (D), EUR 20,60 (A), Kindle: EUR 19,99.


    „[...] Nach vielen Jahren als Dozentin für Kreatives Schreiben und nach zahlreichen Vorträgen auf Autorenkonferenzen habe ich mir gesagt, dass ein Handbuch, in dem ich am Beispiel eines meiner eigenen Romane Schritt für Schritt erkläre, wie ich vorgehe, nützlich sein könnte für alle, die sich für das Schreiben von Romanen interessieren, oder dafür, wie ich als Autorin die komplizierte Aufgabe angehe, einen Kriminalroman zu schreiben.“ (Seite 11)


    Wie arbeitet eine Erfolgsautorin?

    Vermutlich gehöre ich gar nicht zur angepeilten Zielgruppe, weil ich überhaupt nicht vorhabe, einen Roman zu schreiben. Ich schreibe seit vierzig Jahren über anderer Leute Bücher und ich liebe „Job-Geschichten“. Als ich von diesem Ratgeber erfuhr, wollte ich dieser Autorin, von der ich rund ein Dutzend Krimis gelesen habe, einmal über die Schulter schauen. Wie macht sie es, dass die Leserinnen so verrückt nach ihren Büchern sind?


    Ich ahnte es schon: Es ist verflixt viel Arbeit und erfordert eine Menge Disziplin! Am Anfang steht eine gute Idee. Und dann muss man die notwendigen Informationen recherchieren, den Handlungskern festlegen, glaubhafte, lebendig wirkende Figuren entwickeln, die Erzählperspektive bestimmen, die einzelnen Szenen strukturieren, aufbauen und miteinander verknüpfen, die Erstfassung überarbeiten und noch vieles mehr. Spannend soll die Geschichte sein, logisch und unterhaltsam. Und verkaufen soll sie sich auch.


    Schritt für Schritt an einem Beispiel

    Wie die Autorin dabei genau vorgeht, zeigt sie uns am Beispiel ihres Romans DOCH DIE SÜNDE IST SCHARLACHROT (OT: CARELESS IN RED). Es ist nicht zwingend notwendig, dass man diesen Roman schon kennt, aber es ist auch kein Fehler. Hinterher braucht man ihn nicht mehr zu lesen, weil durch die vielen (und sehr langen!) Textbeispiele das Wesentliche schon verraten wird.


    Wenn eine US-amerikanische Schriftstellerin, die keinerlei Bezug zu Großbritannien hat, eine Romanreihe schreibt, die ebendort spielt und die einem „very British“ vorkommt, muss dem Schreiben eine Menge Recherche vorangegangen sein. Elizabeth George verrät uns, was sie auf ihren Recherchereisen alles notiert und fotografiert, damit wir Leser:innen später den Eindruck haben, wirklich vor Ort zu sein und die Schauplätze mit allen Sinnen wahrzunehmen. Wenn dies eine Voraussetzung für gelungene Szenen ist, wundert mich nicht, warum es so viele Regionalkrimis gibt: Nicht jede:r kann sich ausgedehnte Reisen um die halbe Welt leisten.


    Sehr viel Vorbereitung

    Mit ihrem Romanpersonal betreibt die Autorin ebenfalls einen enormen Aufwand. Was sie vorab alles über ihre handelnden Personen „weiß“ ist unglaublich. Seitenweise trägt sie Informationen über sie zusammen: Kindheit, Familie, Einstellungen, Hobbys, Ziele, Motive, Bedürfnisse, Probleme ... auf Seite 58 findet sich eine Liste mit knapp 30 Stichpunkten, die sie mehr oder weniger abarbeitet. Manches davon könnte ich nicht einmal über mich selbst sagen. ;) Diese Fakten werden später nicht alle im Roman erwähnt werden, aber sie formen die Personen, deren Ansichten, Handlungen und auch deren Sprache. Das fand ich ungeheuer faszinierend.


    Da ich den Roman, den sie hier als Beispiel heranzieht, vor Jahren gelesen hatte, habe ich die Auswirkungen ihrer detailgenauen Vorarbeit selbst erlebt. Und vielleicht auch deren Grenzen. Erst jetzt, als ich hier all diese Hintergrundinfos las, ist mir so manches über die handelnden Personen klar geworden. Ich hatte einige Ursachen und Zusammenhänge damals beim Lesen schlicht nicht begriffen. Dieser Krimi ist mir in Erinnerung geblieben als eine Ansammlung gestörter Unsympathen mit seltsamen Namen. Es war der letzte der Inspector-Lynley-Reihe, den ich gelesen habe.


    All diese sorgsam konstruierten fiktiven Personen können uns Leser:innen also auch überfordern. Ich hatte die Reihe über viele Jahre wegen ihrer lebendigen Figuren geliebt, bis mir die Geschichten zu problembehaftet, zu düster und zu verwirrend wurden.


    Sagt er, sagt sie ...

    Die Autorin schildert, wie sie die einzelnen Szenen plant, schreibt und miteinander verbindet, wie sie Konflikte, dramatische Fragen und Wendepunkte setzt, was einen gelungenen Romananfang – die Eröffnung – ausmacht und warum das so schwierig ist.


    Interessant fand ich ihre Methode, längere Dialoge zu schreiben, ohne –zigmal „sagte sie“ und „sagte er“ zu verwenden – und ohne dass der Leser den Überblick darüber verliert, wer gerade spricht. Sonst sitzt man ja manchmal da und zählt ab: „Sagt A, sagt B, sagt A, sagt B ...“


    Beim Kapitel „Sprache“ – jede Person braucht eine typische Art, sich auszudrücken – wird’s schwierig, weil wir hier ja anhand einer Roman-Übersetzung arbeiten. An einer Stelle im Ratgeber heißt es, diese und jede Formulierungen im Krimi seien typisch für die britische Oberschicht. Dieser Ausdrucksweise werden dann flapsige Sprüche gegenübergestellt, wie sie angeblich in den USA üblich sind. Und der Leser denkt: „Wie jetzt? Die reden hier doch alle mehr oder weniger geschwollen Deutsch!“ Da ich die Lynley-Reihe auf Englisch gelesen habe, weiß ich, was Elizabeth George meint. Es stimmt schon. Aber die Beispiele funktionieren eben nur bedingt.


    Mit praktischen Übungen

    Das Buch enthält Übungen, mit denen man das soeben Gelernte ausprobieren kann. Die habe ich nicht gemacht, weil ich ja nur an den Mechanismen und nicht an einer eigenen Umsetzung interessiert bin. Man kann hier mit den neu entdeckten „Werkzeugen“ ein bisschen spielen. Doch wenn man kein Feedback auf seine Fingerübungen bekommt, weiß man nicht, ob es funktioniert, was man treibt, oder ob man etwas völlig falsch verstanden hat.


    Ich habe durch diesen Ratgeber einiges entdeckt und gelernt und werde künftig beim Lesen von Romanen – auch anderer Autor:innen – darauf achten, ob ich einzelne Kniffe wiedererkenne und wo man vielleicht das eine oder andere aus Frau Georges Trickkiste sinnvoll hätte anwenden können.


    Werkzeuge mit Anleitung

    Selbst wenn der eigene Grips ähnlich strukturiert ist wie der der Autorin – 1:1 kann man sich ihrer Methoden sicher nicht bedienen, wenn man einen Roman schreiben möchte. Hier bekommt man eine Art Werkzeugkasten mit Bedienungsanleitung an die Hand. Welche Werkzeuge man einsetzen will, bleibt einem selbst überlassen. Die Autorin schreibt dazu:


    „Wenn Sie dann dieses Buch lesen, kommt es einzig und allein darauf an, dass Sie für alles offen sind. Den Studierenden in meinen Kursen zum Thema ‚Kreatives Schreiben’ sage ich immer: beherzigen Sie, was Ihnen gefällt, und vergessen Sie den Rest.“ (Seite 19)


    Disziplin statt Glamour

    Wer gerne drauflosschreibt und sich selbst von seiner Geschichte überraschen lässt, wird mit dieser Art der peniblen (Über-)Vorbereitung sicher nichts anfangen können. Etablierte Autor:innen haben längst ihre eigenen Strategien entwickelt und werden womöglich den Kopf schütteln über die Arbeitsweise ihrer prominenten US-Kollegin. Doch wer noch am Anfang steht, wird hier brauchbare Tipps finden. Auf jeden Fall räumt Elizabeth George gründlich mit der Vorstellung auf, Schriftsteller:in zu sein sei irgendwie glamourös und romantisch oder gar leicht. Es ist Arbeit. Viel Arbeit.


    Da ich Elizabeth Georges ersten Schreibratgeber WORT FÜR WORT nicht kenne, kann ich jetzt leider keine Vergleiche ziehen und nur vom Hörensagen berichten, dass es da wohl einige Überschneidungen mit dem vorliegenden Werk geben soll.


    Die Autorin

    Akribische Recherche, präziser Spannungsaufbau und höchste psychologische Raffinesse zeichnen die Romane der Amerikanerin Elizabeth George aus. Ihre Bücher sind allesamt internationale Bestseller, die zudem mit großem Erfolg verfilmt wurden. Elizabeth George lebt in Seattle im Bundesstaat Washington, USA.

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    Gloria Gray: Zurück nach Übertreibling. Vikki Victorias erster Zwischenfall. Krimi, München 2022, dtv Verlagsgesellschaft, ISBN 978-3-423-22009-5, Klappenbroschur, 344 Seiten, Format: 12,3 x 2,89 x 19,1 cm, Buch: EUR 11,95 (D), EUR 12,30 (A), Kindle: EUR 9,99, auch als Hörbuch lieferbar.


    „Vikki, hör zu, der Toni ist ausgebrochen. Gestern Nacht, aus Stadelheim. Ich hab’s gerade erfahren. Großfahndung.“ – Oh. [...] Ganz klar, ich bin in Gefahr.“ (Seiten 8/9)


    Künstlerin Vikki Victoria, 41, lebt seit Jahren glücklich und zufrieden in München. Ihre Jugend in Übertreibling, einem Kaff im Bayerischen Wald, hat sie erfolgreich verarbeitet – oder vielleicht auch nur verdrängt. Leicht hat sie’s nicht gehabt. Sie ist im Körper eines Jungen geboren worden, hat sich aber immer schon als Mädchen bzw. Frau gefühlt. Und Anderssein ist in einem stockkonservativen Dorf echt kein Spaß! Besonders ihr Schulkamerad Toni Besenwiesler hat ihr damals das Leben schwer gemacht.


    Jahre später laufen sich Vikki und Toni in München wieder über den Weg. Toni arbeitet dort für den türkischen Clanchef Achmet und legt eine steile kriminelle Karriere hin. Vikki ist mit Achmet und dessen Familie bekannt, ohne in dessen ungesetzliche Machenschaften verwickelt zu sein. Und so haben die Feinde aus Kindertagen zwangsläufig immer wieder Kontakt.


    Raus aus dem Knast ...

    Irgendwann kommt Toni für 13 Jahre in den Knast für ein Delikt, das er nicht begangen haben will. Aus unerfindlichen Gründen glaubt er, dass Vikki und Achmet ihm die Tat angehängt haben und terrorisiert die beiden aus dem Gefängnis heraus mit Drohbriefen und Drohmails.


    Jetzt ist der Toni also raus aus dem Knast und Vikki muss um ihr Leben fürchten. Auf die Schnelle fällt ihr und ihrem Kumpel Wolf, einem belesenen Antiquitätenhändler und Boss einer Motorradgang, nichts Besseres ein, als Vikki in ihrem Heimatort Übertreibling zu verstecken. Stimmt schon: Da wird Toni sie nicht vermuten. Andererseits stammt er ja selber aus dem Ort. Womöglich schlägt er bei seiner dortigen Verwandtschaft auf und Vikki läuft ihm direkt in die Arme.


    ... und rein ins Chaos

    Aber vielleicht ist es eh gescheiter, dass sie ihn findet, bevor er sie findet. Überraschungsmoment, verstehst? Toni ist nicht gerade ein Superhirn. Da hat die Vikki schon deutlich mehr auf dem Kasten. Außerdem hat sie Wolfs Motorradgang, die „Switch Blades“, auf ihrer Seite sowie Achmet und dessen Leute, obwohl auf die nur bedingt Verlass ist. Toni hat nur seine einfältige Sippschaft.


    Entführung! Vikki ermittelt

    Und nun jagen die verschiedenen Parteien einander gegenseitig ums Karree. Vikki organisiert das ganze, ohne genau zu wissen, was überhaupt läuft. Da bleiben Fehlentwicklungen nicht aus. Achmets Gurkentruppe kriegt Händel mit der Rockergang, eine Kneipe fliegt in die Luft, die Polizei mischt mit und das Chaos tobt. Natürlich haben alle den Besenwiesler Toni als Drahtzieher in Verdacht. Dann werden auch noch Vikkis junge Nachbarin und Achmets Tochter entführt.


    Weil Vikki nicht viel von der Polizei hält – und der Achmet schon gleich gar nicht – ermitteln sie in diesem Entführungsfall selber.


    Vom Irrsinn überfordert

    Der Irrsinn zieht immer größere Kreise.


    Diese Amateurliga stolpert so überfordert durch das Geschehen, dass es eine wahre Pracht ist – und sehr lustig. Zimperlich sind sie ja nicht, sonderlich effektiv aber auch nicht. Wenn jetzt nicht schleunigst ein Wunder geschieht, schaut’s für die beiden Entführungsopfer finster aus ...


    Haarsträubende Krimikomödie

    Ein bisschen hatte ich die Befürchtung gehegt, ich könnte hier platten Klamauk erwischt haben. Dem ist aber nicht so. ZURÜCK NACH ÜBERTREIBLING ist eine Krimi-Komödie mit, zugegeben, haarsträubender Handlung. Die Figuren/Typen sind sehr gut beobachtet. Die eine oder andere Beschreibung /Formulierung wird sicher bei mir hängenbleiben. Man hat öfter mal den Eindruck: O ja, genau so jemanden kenn’ ich! Und gelegentlich bemerkte ich peinlich berührt: Autsch, so führe ich mich auch mitunter auf!


    Das ganze ist ein bisschen wie eine Bühnenshow angelegt. Vikki erzählt uns, ihrem Publikum, von diesen unerhörten Begebenheiten. Ich sehe sie förmlich im Scheinwerferlicht herumstöckeln. Dabei wendet sie sich immer wieder direkt an uns: „Verstehst?“ – „Das kennst du doch auch, oder?“ Dadurch entsteht eine Art Komplizenschaft, selbst wenn man nicht immer mit ihren Aktionen und Ansichten einverstanden ist.


    Ohne Filter


    Manchmal schnappt man schon nach Luft, wenn man liest, was die Protagonistin da so raushaut. Die prominente Schauspielerin Ch. N. aus M. wird nicht gerade Luftsprünge machen, wenn sie erfährt, dass Vikki eine Klage erwogen hat, als Frau N. sie in einer Verfilmung der geschilderten Ereignisse verkörpern sollte. Und aus welchem Grund. :D


    Skurrile und spaßige Mischung

    Es gibt offensichtlich ein paar Ähnlichkeiten zwischen der Biographie der Heldin und jener der Autorin. Vielleicht haben auch ein paar der Nebenfiguren reale Vorbilder - oder ich bilde mir das nur ein. Wie dem auch sei: Mir hat diese skurrile Mischung aus Krimi, Witz und Lebensklugheit gefallen. Klar, das ist jetzt nix Hochgeistiges – das ist einfach nur ein Heidenspaß. Muss ja auch mal sein, nicht? Beim nächsten Vikki-Victoria-Zwischenfall möchte ich auf jeden Fall wieder dabei sein.


    Die Autorin

    Gloria Gray ist in Zwiesel im Bayerischen Wald geboren und aufgewachsen. Mit 18 flüchtete sie von dort, um sich als Frau und Künstlerin verwirklichen zu können. Über 27 Jahre in München wohnhaft und international als Performerin tätig, kehrte sie 2010 in ihre alte Heimat zurück und ist seither im Landkreis Regen u.a. als Unternehmerin, Kreisrätin und Botschafterin tätig. Als Entertainerin ist sie jedoch weiterhin aktiv und überregional unterwegs. Mit ›Zurück nach Übertreibling‹ legt sie ihr fulminantes Debüt vor. http://www.gloriagray.com


    Der Co-Autor

    Robin Felder lebt und arbeitet in München als Komponist, Texter und Schriftsteller. Bislang sind von ihm vier Romane erschienen. www.robinfelder.com

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    Deborah Wilde: Jezebel Files, Band 1. Wenn der Golem zweimal klingelt. Urban Fantasy, OT: Blood & Ash, übersetzt von Julia Schwenk, Steinbach-Hallenberg 2022, Second Chances Verlag, ISBN 978-3-96698-715-8, Klappenbroschur, 382 Seiten, Format: 13,7 x 3,5 x 20,7 cm, Buch: EUR 16,99, Kindle: EUR 6,99.


    „Was für ein Witz! Ich würde nicht nur eine stattliche Summe dafür ausgeben, nicht zu wissen, wozu ich fähig war, darüber hinaus hatten auch noch alle Antworten nur zu weiteren Fragen geführt. Was machte eine Jezebel aus, und warum gab es nirgendwo Aufzeichnungen über uns? Warum besaßen wir Blutmagie? Wer oder was war Chariot, und warum mussten wir sie aufhalten? Und wie stand mein Vater mit alldem in Verbindung?“ (Seite 370)


    Menschen mit und ohne Magie

    Wie immer beim Beginn einer – hier vierteiligen – Fantasy-Reihe, muss man erst einmal ein bisschen was über diese Welt wissen. Die Vorgeschichte, zum Beispiel: Weil im 17. Jahrhundert zehn größenwahnsinnige Kerle die Idee hatten, „sich mit dem Göttlichen zu vereinigen“ und daran scheiterten, teilt sich die Menschheit nun in Weltige (sowas wie die Muggels bei Harry Potter) und in magisch begabte Nefesh.


    Die Nefesh sind mit ihren Fähigkeiten registriert und in verschiedenen „Häusern“ organisiert. Eines der mächtigeren ist das House Pacifica, das sein Hauptquartier in Vancouver/Kanada hat. Dessen Leitung hat der italienischstämmige Magier Levi Montefiore, ein attraktiver Mann um die 30. Der ist seit seiner Kindheit mit der ungefähr gleichaltrigen Ashira „Ash“ Cohen in einer Art Hassliebe verbunden. Sie misstrauen und beleidigen einander, streiten permanent und suchen doch stets die Nähe des anderen.


    Eine ungewöhnliche Familie

    Ash, eine mittelprächtig erfolgreiche Privatdetektivin, hat eine interessante Familiengeschichte: Ihr Vater Adam war ein Nefesh, ein Charismat, der seine Fähigkeit, andere zu manipulieren, für kleinere und größere Gaunereien nutzte, bis er vor 15 Jahren plötzlich verschwand. Ihre Mutter Talia stammt aus einer jüdisch-orthodoxen Familie und hatte schon in jungen Jahren von Religion und Magie dermaßen die Nase voll, dass sie zu einer radikalen Gegnerin von beidem wurde.


    Plötzlich Magierin

    28 Jahre lang hat sich Ash für eine magisch unbegabte Weltige gehalten – bis sich bei der Behandlung einer Kopfverletzung herausstellt, dass sich unter ihrem vollen Haar eine merkwürdige Tätowierung verbirgt. Sie weiß nichts davon, ihre Mutter und frühere Ärzte auch nicht. Wer hat ihr das Ding verpasst, wann und warum? Es stellt sich als ein Bannsiegel heraus, das magische Aktivitäten verhindert. Die unerschrockene Ash lässt es entfernen und wird dadurch völlig unvorbereitet zu einer Nefesh. Jetzt gehört sie zum House Pacifica und ihr Lieblingsfeind Levi Montefiore ist ihr Boss.


    Ashs Art der Magie ist den hiesigen Nefesh noch nie untergekommen. Sie gehorcht keinen Regeln – genau wie Ash selbst – und dürfte gar nicht existieren. Unsere Heldin versteht ihre Kräfte weder noch kann sie sie beherrschen. Offenbar hat man ihre magischen Fähigkeiten aus gutem Grund versiegelt.


    Neue Chancen, neue Gefahren

    Egal. Ash lässt das jetzt so. Beruflich eröffnet ihr der neue Status als Nefesh ungeahnte Möglichkeiten. Aber das bedeutet auch ganz neue Gefahren. Bei der Suche nach einer verschwundenen Jugendlichen trifft sie nicht nur auf einen brandgefährlichen weiblichen Nefesh-Gangsterboss – eine elegante Latina mit dem Spitznamen „Herzkönigin“ – und deren Schergen, sondern auch auf eine geheimnisvolle Organisation, die vor keiner Bluttat zurückschreckt. Yitzak, der alte Tätowierer, hätte ihr sicher eine Menge zu erzählen gehabt, wenn ihn der Typ mit dem harten Akzent nicht vorher erledigt hätte. Sind es dessen Leute, die Golems als Wachmänner einsetzen? Und versuchen sie tatsächlich, das, was auch immer sie treiben, der Herzkönigin in die Schuhe zu schieben? Mutig!


    Ash hat weder mit der jüdischen Mythologie noch mit Hebräisch was am Hut, aber wenigstens erkennt sie ein Aleph, wenn sie eines sieht, womit sie eine gewisse Chance gegen unfreundliche Golems hat. Bildung kann Leben retten. ;)


    Vermisstenfälle mit System

    Langsam wird ihr klar, dass der Vermisstenfall, in dem sie ermittelt, kein singuläres Ereignis ist. Es verschwinden systematisch junge Menschen, nach denen im Normalfall niemand suchen würde, und irgendjemand stellt mit ihnen ganz scheußliche magische Dinge an.


    Für diese scheußlichen Dinge braucht es genau die Art von Nefesh-Fähigkeiten, die sie selbst hat. Das heißt, es muss noch mehr von ihrer Sorte geben - und die machen entweder freiwillig oder unfreiwillig bei dieser Schweinerei mit.


    Ein bisschen ist das so wie bei Ben Aaronovitchs Peter-Grant-Romanen: Irgendwann verliert man komplett den Überblick, wer mit wem verbandelt oder verfeindet ist und wer was auf seiner Agenda hat. Man schaut dem Chaos fasziniert und amüsiert beim Toben zu und hofft, dass sich das alles schon irgendwann klären wird. Ash jedenfalls scheint ungefragt Teil eines größeren Plans zu sein. Will sie das? Hat sie überhaupt eine Wahl?


    Schräg, lustig, abgefahren ...

    Irgendwie habe ich den Verdacht, dass hier Gesandte einer weiblichen Gottheit das wieder gerade biegen sollen, was die Anhänger eines patriarchalischen Gottes in grauer Vorzeit verbockt haben. Aber vielleicht denke ich auch zu alttestamentarisch. Wir werden sehen. Die Serie ist so schräg und abgefahren, dass ich auf jeden Fall am Ball bleiben werde. Und ich finde es lustig, wie sich Ash und Levi dauernd kabbeln. So schrecklich ernst nimmt sich die Geschichte zum Glück nicht.


    ... und kein Jugendbuch

    Weil ich bei Urban Fantasy immer als erstes an Bücher für Teenager denke, hatte ich erwartet, ein Jugendbuch zu lesen. Doch weit gefehlt! Okay, die Gewaltszenen in diesem Roman sind jetzt nicht so krass, das würden jugendliche Leser:innen locker wegstecken. Aber Jugendbücher sind üblicherweise doch etwas – wie soll ich sagen – diskreter? Keuscher? Nicht so explizit?


    Ich freue mich jedenfalls auf den nächsten Band und hoffe, dass der Second-Chances-Verlag sein Konzept ernst nimmt und wirklich alle vier Bände herausbringt: „Welche Bücher erscheinen im Second Chances Verlag? Die Bücher, die uns als Leser auf dem deutschen Buchmarkt gefehlt haben. Die Bücher, deren Übersetzungen es nicht mehr in die Verlagsprogramme geschafft haben. Die Bücher, die inzwischen nicht mehr erhältlich sind, obwohl sie zeitlos gut sind. Und die Bücher, die ihr euch wünscht.“ (http://www.second-chances-verlag.de) Falls nicht, lese ich die Reihe eben auf Englisch fertig. Diesen Spaß lasse ich mir keinesfalls entgehen!


    Die Autorin

    Deborah Wilde ist Weltenbummlerin, ehemalige Drehbuchautorin und Zynikerin durch und durch. Sie schreibt mit Vorliebe witzige Romane für Frauen in den Genres Urban Fantasy und Paranormal Romance. In ihren Geschichten geht es um selbstbewusste, toughe Frauen, starke weibliche Freundschaften und Romantik mit einer Prise Charme und Feuer. Sie mag Happy Ends, und es ist ihr wichtig, dass auch der Weg dorthin ihre Leser*innen zum Lachen bringt. Deborah Wilde lebt in Vancouver, zusammen mit ihrem Mann, ihrer Tochter und ihrer überaus eigenwilligen Katze Abra.


    Die Übersetzerin

    Julia Schwenk lebt mit einem bunten Heimtierzoo in ihrem heiß geliebten Zimmerpflanzendschungel im süddeutschen Land der Kühe und grünen Wiesen. Sprache ist ihre große Leidenschaft, die sie als Verlegerin und Übersetzerin zum Beruf gemacht hat. Wenn sie nicht gerade wie Gollum auf ihrer Couch über dem Arbeits-Netbook kauert, macht sie Handarbeitsforen unsicher, schaut YouTube leer oder plant die Übernahme der Weltherrschaft – und ist dabei immer auf der Jagd nach dem nächsten spannenden Projekt.